Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
überprüfen, durchsuchte die Polizei seine Wohnung. Die beiden Kommissare wollten währenddessen Yasuko Hanaoka befragen. Sie und ihre Tochter waren bereits zu Hause. Ein Beamter begleitete Misato nach draußen, nicht um sie zu schonen, sondern weil sie getrennt zu dem Fall verhört werden sollte. Als Yasuko erfuhr, dass Ishigami sich gestellt hatte, stockte ihr vor Schreck der Atem. Sie war sprachlos.
»Das überrascht Sie wohl?«, fragte Kusanagi und beobachtete sie genau.
Zuerst schüttelte Yasuko nur den Kopf. »Das hätte ich nie gedacht. Warum sollte er Togashi …?«, stieß sie dann endlich hervor.
»Ein Motiv können Sie sich nicht vorstellen?«
Ein unschlüssiger, hilfloser Ausdruck trat auf ihr Gesicht. Es wirkte, als hätte sie etwas zu sagen, das sie jedoch nicht preisgeben wollte.
»Ishigami sagt, er habe es für Sie getan.«
Yasuko zog gequält die Brauen zusammen und seufzte tief auf.
»Wie es scheint, könnten Sie sich doch einen Grund vorstellen.«
Sie nickte schwach. »Ich wusste, dass er gewisse Gefühle für mich hegte, aber dass er so etwas tun würde … meine Güte.«
»Er sagt, Sie hätten ständig in Verbindung miteinander gestanden.«
»Er und ich?« Yasuko machte ein ernstes Gesicht. »Das stimmt nicht.«
»Aber er hat Sie jeden Abend angerufen.« Kusanagi berichteteYasuko, was Ishigami gesagt hatte. Sie zog die Stirn in Falten.
»Ach, er war das!«
»Das haben Sie nicht gewusst?«
»Ich hatte es mir gedacht, war aber nicht sicher. Er hat seinen Namen nie genannt.«
Yasuko zufolge hatte sie den ersten Anruf etwa drei Monate zuvor erhalten. Ohne seinen Namen zu sagen, hatte der Anrufer Dinge aus ihrem Privatleben referiert – Dinge, die nur jemand wissen konnte, der sie beobachtete. Sie befürchtete, einen Stalker zu haben, aber sie konnte sich nicht vorstellen, wer es hätte sein können. Danach klingelte das Telefon immer wieder, aber sie hatte nie abgenommen. Nur einmal, aus Gedankenlosigkeit. Der Mann hatte gesagt, ihm sei klar, dass sie zu beschäftigt gewesen sei, um abzuheben. Daher wolle er es von nun an jeden Abend fünfmal klingeln lassen, und sie solle nur abheben, wenn sie einen Auftrag für ihn hätte. Yasuko willigte ein. Fortan klingelte das Telefon tatsächlich jeden Abend. Anscheinend rief der Mann von einem öffentlichen Telefon an. Sie hob niemals ab.
»Haben Sie Ishigami denn nicht an der Stimme erkannt?«
»Eigentlich nicht, denn ich hatte ja vorher kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Und am Telefon hatte ich ihn auch nur einmal, also kannte ich seine Stimme gar nicht richtig. Überdies konnte ich mir nicht vorstellen, dass er so etwas tun würde. Immerhin ist er Lehrer an einer Oberschule.«
»Auch bei Lehrern gibt es solche und solche«, warf Kishitani ein. Dann senkte er den Kopf, als sei sein Einwurf ihm peinlich. Kusanagis jüngerer Kollege war von Anfang an auf Seiten der Hanaokas gewesen. Ishigamis Selbstanzeige war bestimmt eine Erleichterung für ihn.
»Ist außer den Anrufen noch etwas vorgefallen?«, fragte Kusanagi.
»Ja, einen Moment, bitte.« Yasuko erhob sich und holte drei Umschläge aus einer Schublade. Sie waren an sie adressiert, trugen aber keinen Absender.
»Was ist das?«
»Sie waren in dem Briefkasten an meiner Tür. Es waren noch mehr, aber die anderen habe ich weggeworfen. Diese drei habe ich, wenn auch nur ungern, für den Fall aufgehoben, dass ich sie als Beweisstücke brauche. So wie sie es im Fernsehen immer machen.«
Kusanagi öffnete die Umschläge.
Jeder enthielt ein Blatt Papier, auf dem ein kurzer, mit Computer geschriebener Text stand.
Du scheinst Dich neuerdings stärker zu schminken. Und ziehst Dich auch auffälliger an. Das passt nicht zu Dir. Eine schlichtere Aufmachung steht Dir besser. Außerdem bereitet es mir Sorge, dass Du jetzt immer so spät nach Hause kommst. Du solltest immer gleich nach der Arbeit nach Hause gehen.
Bedrückt Dich etwas? Dann möchte ich, dass Du es mir ohne Umschweife sagst. Deshalb rufe ich Dich ja jeden Abend an. Ich könnte Dir in vielen Dingen einen Rat erteilen. Du kannst niemandem trauen. Trau keinem außer mir!
Ich habe die schreckliche Ahnung, dass Du mich hintergehst. Ich glaube, dass Du so etwas nie tun würdest, aber wenn doch, würde ich es nicht dulden. Denn ich bin der Einzige für Dich. Nur ich kann Dich beschützen.
Kusanagi schob die Briefe in die Umschläge zurück.
»Dürfte ich die behalten?«
»Bitte.«
»Sind weitere Dinge in dieser Art
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