Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
ihn an.
»Stimmt, ich kann es nicht wahrhaben«, sagte Yukawa. »Ich habe dir bereits gesagt, dass diesem Mann die Vernunft über alles geht. Gefühle stehen an zweiter Stelle. Wenn er etwas für eine vernünftige Lösung hielte, würde er alles tun. Dennoch kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass er so weit gehen würde, einen Menschen zu töten – dazu noch einen, mit dem er nie etwas zu tun hatte.«
»Ist das deine einzige Begründung?«
Yukawa wandte sich um und starrte Kusanagi an. Aber inseinen Augen spiegelten sich eher Trauer und Schmerz als Zorn und Empörung.
»Ich weiß sehr wohl, dass man auf dieser Welt hin und wieder gewisse Fakten akzeptieren muss, auch wenn es einem schwerfällt, sie zu glauben«, sagte er.
»Dennoch hältst du Ishigami für unschuldig?«
Yukawa verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Das würde ich nicht sagen.«
»Ich weiß, was du denkst. Yasuko Hanaoka hat Togashi umgebracht, und Ishigami deckt sie. Aber je tiefer wir in den Fall eindringen, desto geringer erscheint diese Möglichkeit. Es gibt mehrere Beweise dafür, dass Ishigami sich als Stalker betätigt hat. Kaum vorstellbar, dass er das so perfekt vortäuschen kann, wie stark sein Drang, Yasuko zu schützen, auch sein mag. Vor allem, wer würde die Schuld für einen Mord auf sich nehmen, den er nicht begangen hat? Immerhin ist Yasuko Hanaoka weder mit Ishigami verwandt noch verheiratet. Sie ist ja nicht einmal seine Geliebte. Selbst wenn er ihr tatsächlich geholfen hat, den Mord zu vertuschen, würde er doch aufgeben, nachdem die Sache gescheitert ist. Das wäre nur menschlich.«
Yukawas Augen weiteten sich, als hätte er eine plötzliche Eingebung. »Jeder normale Mensch würde aufgeben, wenn sein Plan gescheitert ist«, murmelte er. »Es ist nahezu unmöglich, bis zum bitteren Ende durchzuhalten, um sie zu schützen.« Yukawa ließ seinen Blick in die Ferne schweifen. »Selbst für Ishigami, und er weiß das auch ganz genau. Deshalb …«
»Was?«
»Ach, nichts.« Yukawa schüttelte den Kopf.
»Ich denke, wir können nicht anders, als Ishigami für denMörder zu halten. Solange keine neuen Anhaltspunkte auftauchen, werden wir in keine andere Richtung ermitteln.«
Yukawa antwortete nicht und rieb sich über das Gesicht. Er stieß einen langen Seufzer aus. »Er hat sich dafür entschieden, sein Leben im Gefängnis zu verbringen«, sagte er schließlich.
»Immerhin hat er einen Menschen getötet.«
»So ist es …« Yukawa stand reglos und mit hängendem Kopf da. Lange bewegte er sich nicht. »Entschuldige, aber könntest du jetzt bitte gehen? Ich bin sehr müde.«
Mit Yukawa war entschieden etwas nicht in Ordnung. Kusanagi hätte ihn gern gefragt, dennoch erhob er sich wortlos. Er verließ das Labor Nummer 13 und ging durch den schlecht beleuchteten Flur. An der Treppe kam ihm ein Student entgegen. Kusanagi erkannte den jungen Mann mit dem schmalen, etwas nervösen Gesicht wieder. Es war Yukawas Doktorand Tokiwa, der Kusanagi neulich verraten hatte, dass sein Professor nach Shinozaki gefahren war.
Tokiwa nickte ihm im Vorübergehen zu.
»Ach, warten Sie doch mal einen Augenblick«, rief Kusanagi.
Tokiwa wandte sich verdutzt um, und der Kommissar sah ihn freundlich an. »Ich würde Sie gern etwas fragen, hätten Sie einen Moment Zeit?«
Tokiwa warf einen Blick auf seine Uhr. Ja, er habe kurz Zeit.
Sie verließen das Gebäude und gingen in die Mensa, die hauptsächlich von Studenten der Naturwissenschaften benutzt wurde. Kusanagi zog zwei Kaffee am Automaten, und sie setzten sich an einen Tisch.
»Der schmeckt um einiges besser als dieses Instantzeug, das ihr an eurem Institut habt«, sagte Kusanagi nach einem Schluck aus dem Pappbecher. Vielleicht wurde der Student zugänglicher, wenn er etwas mit ihm plauderte.
Tokiwa lächelte, wirkte aber noch immer angespannt. Kusanagi entschied sich, gleich zum Thema zu kommen. »Ich möchte mit Ihnen über Professor Yukawa sprechen«, sagte er. »Kommt er Ihnen in letzter Zeit verändert vor?«
Tokiwa geriet in Verlegenheit. Wahrscheinlich war ihm die Art der Frage peinlich.
»Ich meine, hat er sich mit Dingen beschäftigt, die nichts mit seiner Arbeit an der Universität zu tun haben? Ist er irgendwohin gegangen? So was eben.«
Tokiwa legte den Kopf schräg und schien ernsthaft nachzudenken.
Kusanagi lächelte ihn beruhigend an. »Natürlich ist Professor Yukawa in nichts verwickelt. Darum geht es nicht. Es ist ein bisschen schwer zu erklären,
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