Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
passiert?«
»Mir selbst nicht, aber …« Yasuko brach ab.
»Ihrer Tochter?«
»Nein, es betrifft Herrn Kudo.«
»Was ist Herrn Kudo denn passiert?«
»Als ich ihn neulich sah, erzählte er mir von einem merkwürdigen anonymen Brief, den er erhalten hatte. Er solle sich von mir fernhalten, stand darin. Offenbar waren auch Fotos dabei, die jemand von ihm gemacht hatte.«
»Wahrscheinlich dieselbe Person …«
Angesichts der Umstände konnte nur Ishigami die Briefe verfasst haben. Kusanagi dachte an Manabu Yukawa. Offenbar schätzte er Ishigami als Wissenschaftler hoch ein. Würde er schockiert sein, wenn er erführe, dass sein Freund sich nebenbei als Stalker betätigte?
Es klopfte. »Herein!«, rief Yasuko, und ein junger Beamter steckte den Kopf ins Zimmer. Er gehörte zu der Einheit, die Ishigamis Wohnung durchsuchte.
»Kommissar Kusanagi, hätten Sie einen Moment Zeit?«
»Sicher.« Kusanagi nickte und erhob sich.
Als er in die Nachbarwohnung kam, wartete Mamiya auf einem Stuhl sitzend auf ihn. Der Computer auf dem Schreibtisch war eingeschaltet. Ein paar junge Polizisten waren dabei, Beweismittel in Kartons zu packen.
Mamiya deutete auf die Wand neben einem Bücherregal. »Schauen Sie mal.«
»Na so was!«, entfuhr es Kusanagi.
Auf einer Fläche von etwa 20 Zentimetern war die Tapeteabgelöst und ein Brett aus der Wand herausgesägt worden. Aus der Öffnung hing ein dünnes Kabel, an dem ein Kopfhörer befestigt war.
»Jetzt hören Sie mal.«
Auf Mamiyas Geheiß steckte Kusanagi sich die Kopfhörer ins Ohr.
Sofort ertönten Stimmen: »Wenn Ishigamis Aussagen sich bestätigen, werden wir den Fall rasch abschließen können«, hörte er Kishitani sagen. »Ich glaube nicht, dass wir Sie noch lange belästigen müssen, Frau Hanaoka.« Die Stimme klang ein wenig verschwommen, war aber dafür, dass sie von jenseits der Wand kam, sehr gut zu verstehen.
»Welche Strafe wird Herr Ishigami erhalten?«
»Das muss das Gericht entscheiden. Aber da es sich um Mord handelt, wird er, auch wenn man ihn nicht zum Tode verurteilt, nicht so leicht davonkommen. Er wird Sie nie mehr belästigen, Frau Hanaoka.«
Für einen Kommissar redet er entschieden zu viel, dachte Kusanagi, während er die Kopfhörer abnahm.
»Nachher zeigen wir das mal Frau Hanaoka«, sagte Mamiya. »Ishigami behauptet zwar, sie habe davon gewusst, aber ich bezweifle es.«
»Sie meinen also, Yasuko Hanaoka hatte keine Ahnung von dem, was Ishigami hier trieb?«
»Ich habe euer Gespräch mitgehört.« Mamiya warf einen Blick auf die Wand und grinste. »Ishigami ist ein typischer Stalker. Er bildet sich ein, zwischen ihm und Yasuko bestünde ein Einverständnis. Er würde am liebsten jeden Mann, der in ihre Nähe kommt, aus dem Weg räumen. Ihr Ex-Mann war ihm natürlich besonders verhasst.«
»Ja schon, aber …«
»Aber was? Sie ziehen so ein Gesicht. Passt Ihnen etwas nicht?«
»Nicht direkt, aber ich dachte, ich hätte einigermaßen eine Vorstellung davon, was dieser Ishigami für ein Mensch ist. Nun bin ich verwirrt, weil der Inhalt seiner Aussagen so stark von diesem Bild abweicht.«
»Ein Mensch kann viele Gesichter haben. Stalker sind in den meisten Fällen ganz anders, als sie sich präsentieren.«
»Das weiß ich … Haben Sie außer der Abhörvorrichtung noch etwas anderes gefunden?«
Mamiya nickte gewichtig. »Ja, das Kotatsu-Kabel. Es war mit dem Kotatsu in einem Karton. Ein mit Stoff isoliertes Kabel, genau wie das, mit dem das Opfer erwürgt wurde. Wenn wir Hautpartikel des Opfers daran sicherstellen können, haben wir ihn.«
»Sonst noch etwas?«
»Sehen Sie selbst.« Mamiya bewegte die Maus des Computers. Er war nicht sehr geschickt dabei. Wahrscheinlich hatte es ihm gerade erst jemand gezeigt. »Da ist es.«
Er hatte das Textverarbeitungsprogramm geöffnet. Auf dem Bildschirm erschien eine beschriebene Seite. Kusanagi las.
Ich habe die Identität des Mannes, mit dem Du Dich triffst, herausgefunden. Die beigefügten Fotos sind wohl Beweis genug. Ich frage Dich: In welchem Verhältnis stehst Du zu diesem Mann? Sollte er Dein Liebhaber sein, würde ich das als schrecklichen Verrat betrachten.
Vergiss nicht, was ich für Dich getan habe.
Ich habe das Recht, Dir zu befehlen, Dich unverzüglich von diesem Mann loszusagen. Solltest Du dies nicht tun, wird mein
Zorn sich gegen ihn richten. Diesem Mann das gleiche Schicksal zu bereiten wie Togashi wäre nun mehr als leicht für mich. Ich verfüge sowohl über die
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