Verdammnis
Redaktion in der Götgatan landete. Es war dunkel und still im Büro. Er machte kein Licht an, sondern setzte einen Kaffee auf, stellte sich ans Fenster und blickte auf die Straße hinunter, während er darauf wartete, dass das Wasser durch den Filter lief. Dabei versuchte er seine Gedanken zu ordnen. Die Ermittlungen kamen ihm vor wie ein zersplittertes Mosaik, bei dem einige Steinchen nicht voneinander zu unterscheiden waren, andere hingegen völlig fehlten. Irgendwo in diesem Mosaik gab es ein Muster. Er konnte es ahnen, aber nicht sehen. Es fehlten einfach zu viele Scherben.
Zweifel befielen ihn. Sie ist keine verrückte Mörderin , erinnerte er sich selbst. Sie hatte ihm geschrieben, dass sie Dag und Mia nicht erschossen hatte. Er glaubte ihr. Aber auf irgendeine unbegreifliche Weise war sie dennoch aufs Engste mit diesem rätselhaften Mord verbunden.
Allmählich begann er, seine eigene Theorie infrage zu stellen. Ganz selbstverständlich war er davon ausgegangen, dass Svenssons Reportage über Mädchenhandel das einzig einleuchtende Motiv für den Mord an Dag und Mia war. Doch langsam akzeptierte er Bublanskis Behauptung, dass der Mord an Bjurman damit eben noch nicht erklärt sei.
Lisbeth hatte ihm geschrieben, er solle die Freier außer Acht lassen und sich stattdessen auf Zala konzentrieren. Was meinte sie? Diese verdammte anstrengende Person. Warum konnte sie sich nicht verständlich ausdrücken?
Mikael goss sich Kaffee in eine Tasse mit dem Logo der Jungen Linken und setzte sich in die Sofaecke, legte die Füße auf den Tisch und steckte sich verbotenerweise eine Zigarette an.
Björck gehörte zur Liste der Freier. Bjurman gehörte zu Salander. Es konnte kein Zufall sein, dass Bjurman und Björck bei der Sicherheitspolizei zusammengearbeitet hatten. Ein verschwundener Ermittlungsbericht über Lisbeth Salander.
Kann mehr als ein einziges Motiv im Spiel sein?
Er blieb eine Weile still sitzen und dachte nach. Betrachtete alles aus einer anderen Perspektive.
Ist Lisbeth selbst das Motiv?
Mikael konnte nicht richtig auf den Punkt bringen, was er mit dieser Idee meinte.
Dann sah er ein, dass er einfach zu müde war. Er schüttete seinen Kaffee weg, ging nach Hause und legte sich hin. Als er im Dunkeln in seinem Bett lag, nahm er den Faden noch mal auf und lag zwei Stunden lang wach, während er versuchte zu begreifen, was er eigentlich meinte.
Lisbeth Salander zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich entspannt auf ihrem Stuhl zurück. Sie schlug das rechte Bein über das linke und fixierte ihn. Per-Åke Sandström hatte noch nie so einen intensiven Blick gesehen. Als sie anfing zu sprechen, war ihre Stimme immer noch ganz leise.
»Im Januar 2003 haben Sie Ines Hammujärvi zum ersten Mal in ihrer Wohnung in Norsborg aufgesucht. Zu diesem Zeitpunkt war sie gerade 16 Jahre alt geworden. Warum sind Sie zu ihr gegangen?«
Per-Åke Sandström wusste nicht, was er antworten sollte. Er konnte nicht einmal erklären, wie das Ganze angefangen hatte und warum er … Sie hob ihre Elektroschockpistole.
»Ich... ich weiß nicht. Ich wollte sie haben. Sie war so schön.«
»Schön?«
»Ja. Sie war schön.«
»Und Sie waren der Meinung, Sie hätten ein Recht, sie ans Bett zu fesseln und zu ficken?«
»Sie war einverstanden. Ich schwöre. Sie war einverstanden.«
»Sie haben sie bezahlt?«
Per-Åke Sandström biss sich auf die Zunge.
»Nein.«
»Warum denn nicht? Sie war eine Nutte. Nutten bezahlt man doch normalerweise.«
»Sie war ein … sie war ein Geschenk.«
»Ein Geschenk?«, fragte Lisbeth Salander. Plötzlich hatte ihre Stimme einen gefährlichen Unterton angenommen.
»Ich bekam sie für einen Gefallen, den ich einer anderen Person getan hatte.«
»Per-Åke«, unterbrach Lisbeth mit vernünftigem Ton. »Sie wollen doch nicht etwa meiner Frage ausweichen?«
»Ich schwöre. Ich antworte auf jede Ihrer Fragen. Ich werde Sie nicht anlügen.«
»Gut. Was für ein Gefallen und was für eine Person?«
»Ich hatte anabole Steroide nach Schweden geschmuggelt. Eigentlich bin ich wegen einer Reportage nach Estland gereist. Ich bin mit ein paar Bekannten gefahren, und wir haben die Tabletten in meinem Auto rübergeschafft. Ich war mit einem Mann namens Harry Ranta unterwegs. Obwohl er nicht in meinem Auto mitfuhr.«
»Wie haben Sie Harry Ranta kennengelernt?«
»Den kenne ich schon seit vielen Jahren. Schon seit den Achtzigern. Er ist nur ein Kumpel. Wir sind immer zusammen in die Kneipe
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