Verdammnis
Geduld verlor.
»Ich weiß nicht«, behauptete er. »Ich weiß nicht, wer er ist.«
Lisbeth Salanders Gesicht verfinsterte sich.
»Bis jetzt haben Sie Ihre Sache ganz gut gemacht. Werfen Sie Ihre Chance bloß nicht weg«, ermahnte sie ihn.
»Ich schwöre es Ihnen auf Ehre und Gewissen. Ich weiß nicht, wer er ist. Der Journalist, den Sie erschossen haben …«
Er verstummte plötzlich, als ihm bewusst wurde, dass es vielleicht keine so gute Idee war, ihre Mordorgie in Enskede zu erwähnen.
»Ja?«
»Er hat dasselbe gefragt. Ich weiß es aber nicht. Wenn ich es wüsste, würde ich es erzählen. Ich schwöre es. Das ist jemand, den Atho kennt.«
»Sie haben mit ihm gesprochen.«
»Eine Minute, am Telefon. Ich habe mit jemandem gesprochen, der behauptete, sein Name sei Zala. Oder besser gesagt, er hat mit mir gesprochen.«
»Warum?«
Sandström blinzelte. Schweißperlen rannen ihm in die Augen, und er spürte, dass ihm der Rotz übers Kinn lief.
»Ich … sie wollten, dass ich ihnen wieder einen Gefallen tat.«
»Machen Sie’s nicht zu umständlich«, warnte Lisbeth Salander.
»Sie wollten, dass ich wieder nach Tallinn fuhr und auf dem Rückweg ein präpariertes Auto nach Schweden brachte. Mit Amphetaminen. Ich wollte aber nicht.«
»Warum wollten Sie nicht?«
»Es wurde zu viel. Das waren richtige Gangster. Ich wollte da raus. Ich hatte schließlich auch einen Job.«
»Sie meinen also, Sie selbst waren nur ein Freizeitgangster?«
»Ich bin eigentlich gar nicht so«, beteuerte er wimmernd.
»Nein, nein.«
In ihrer Stimme lag solche Verachtung, dass Sandström die Augen schloss.
»Erzählen Sie weiter. Wie kam Zala ins Spiel?«
»Es war ein Albtraum.«
Er verstummte, und plötzlich liefen die Tränen wieder. Er biss sich so fest auf die Lippe, dass sie aufsprang und zu bluten begann.
»Weiter«, erinnerte ihn Lisbeth Salander kühl.
»Harry warnte mich und sagte, dass Atho langsam wütend auf mich wurde und dass er nicht wisse, was passieren würde. Schließlich ließ ich mich auf ein Treffen mit Atho ein. Das war letzten August. Ich fuhr mit Harry nach Norsborg …«
Sein Mund bewegte sich weiter, aber die Stimme versagte. Lisbeth Salanders Augen verengten sich. Sandström fand seine Stimme wieder.
»Atho ist ein Wahnsinniger. Er ist brutal. Sie ahnen nicht, wie brutal er ist. Er meinte, es sei zu spät für mich, um noch aussteigen zu können, und wenn ich nicht tat, was er sagte, würde ich es nicht überleben. Man wollte es mir demonstrieren.«
»Ja?«
»Sie zwangen mich, in ihr Auto zu steigen. Wir fuhren nach Södertälje. Atho befahl mir, eine Kapuze aufzusetzen. Es war eine Tüte, die er mir über den Kopf stülpte. Ich hatte Todesangst.«
»Sie fuhren also mit einer Tüte über dem Kopf. Was passierte dann?«
»Das Auto blieb stehen. Ich wusste nicht, wo ich war.«
»Wo hatten sie Ihnen die Tüte übergezogen?«
»Kurz vor Södertälje.«
»Und wie lange dauerte es, bis Sie ankamen?«
»Vielleicht … vielleicht knapp dreißig Minuten. Sie führten mich aus dem Auto. Es war so eine Art Lager.«
»Was geschah dann?«
»Harry und Atho führten mich hinein. Drinnen war es hell. Das Erste, was ich sah, war so ein armer Kerl, der auf dem Zementboden lag. Er war gefesselt. Und man sah, dass er absolut grausam zusammengeschlagen worden war.«
»Wer war das?«
»Er hieß Kenneth Gustafsson. Aber das erfuhr ich erst hinterher. Sie haben mir nicht gesagt, wie er hieß.«
»Was passierte dann?«
»Da war ein Mann. Der größte Mann, den ich jemals gesehen habe. Er war enorm. Nichts als Muskeln.«
»Wie sah er aus?«
»Blond. Er sah einfach aus wie das personifizierte Böse.«
»Name?«
»Er hat seinen Namen nicht gesagt.«
»Okay. Ein blonder Riese. Wer war sonst noch da?«
»Da war noch ein anderer Mann. Der sah ziemlich fertig aus. Blond. Hatte so einen Pferdeschwanz.«
Magge Lundin.
»Sonst noch jemand?«
»Nur ich und Harry und Atho.«
»Weiter.«
»Der blonde … Riese stellte einen Stuhl vor mich. Er sagte kein Wort zu mir. Atho erklärte mir, der Typ am Boden sei ein Verräter. Er wollte, dass ich sehe, was mit Leuten passiert, die Schwierigkeiten machen.«
Sandström weinte hemmungslos.
»Ich warte!«, sagte Lisbeth Salander mahnend.
»Der Blonde hob den Mann vom Boden auf und setzte ihn auf einen Stuhl mir gegenüber. Wir saßen einen Meter auseinander. Ich sah ihm in die Augen. Der Riese stellte sich hinter ihn und legte ihm die Hände um den Hals … Er …
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