Verdammnis
hinunterblickte, war über zwei Meter groß und kräftig gebaut. Außergewöhnlich kräftig gebaut. Zweifellos ein Bodybuilder. Bjurman konnte nicht die kleinste Spur von Fett oder Schlaffheit an ihm entdecken. Insgesamt machte er einen erschreckend starken Eindruck.
Der Mann hatte einen kurzen Pony, rasierte Schläfen und ein ovales, seltsam weiches, fast kindliches Gesicht. Die eisblauen Augen hingegen waren alles andere als weich. Bekleidet war er mit einer kurzen schwarzen Lederjacke, einem blauen Hemd, einem schwarzen Schlips und einer schwarzen Hose. Als Letztes bemerkte Bjurman seine Hände. War der Mann ohnehin schon sehr groß gewachsen, so waren seine Hände schlichtweg riesenhaft.
»Rechtsanwalt Bjurman?«
Er sprach mit einem gewissen Akzent, doch seine Stimme war so hoch, dass Bjurman nur mit Mühe ein Grinsen unterdrücken konnte. Aber er beherrschte sich und nickte nur.
»Wir haben Ihren Brief bekommen.«
»Wer sind Sie? Ich hatte um ein Treffen mit …«
Der Mann mit den Riesenhänden ignorierte Bjurmans Frage einfach, setzte sich ihm gegenüber und schnitt ihm das Wort ab.
»Stattdessen haben Sie jetzt ein Treffen mit mir. Erklären Sie mir, was Sie wollen.«
Anwalt Nils Bjurman zögerte kurz. Er hasste es, sich einem völlig Fremden auf diese Art ausliefern zu müssen. Aber es war nötig. Er erinnerte sich daran, dass er nicht der Einzige war, der Lisbeth Salander hasste. Jetzt ging es darum, sich Verbündete zu suchen. Mit gedämpfter Stimme begann er sein Anliegen zu erklären.
3. Kapitel
Freitag, 17. Dezember - Samstag, 18. Dezember
Lisbeth Salander erwachte um sieben Uhr morgens, duschte und ging dann zu Freddy McBain an die Rezeption, wo sie sich erkundigte, ob es einen freien Beach Buggy gab, den sie heute mieten könnte. Zehn Minuten später hatte sie die Kaution hinterlegt, Sitz und Rückspiegel richtig eingestellt, einen Probestart gemacht und nachgesehen, ob genug Benzin im Tank war. Danach ging sie in die Bar, bestellte sich zum Frühstück einen Caffè Latte und ein Käsebrot sowie eine Flasche Mineralwasser zum Mitnehmen. Während des Frühstücks kritzelte sie Zahlen auf eine Serviette und grübelte weiter über Pierre de Fermat nach (a 3 + b 3 = c 3 ).
Kurz nach acht kam Dr. Forbes an die Bar, frisch rasiert, mit dunklem Anzug, weißem Hemd und blauem Schlips. Er bestellte sich ein Ei, Toast, Orangensaft und schwarzen Kaffee. Um halb neun stand er auf und ging zum Taxi, das bereits für ihn bereitstand.
Lisbeth folgte ihm in gebührendem Abstand. Unterhalb des »Seascape«, wo The Carenage begann, stieg Dr. Forbes aus dem Taxi und ging am Wasser spazieren. Sie fuhr an ihm vorbei, parkte mitten auf der Hafenpromenade und wartete geduldig, bis er an ihr vorbeiging. Dann folgte sie ihm weiter.
Um eins war Lisbeth Salander schweißgebadet und ihre Füße waren geschwollen. Sie war ihm vier Stunden lang durch Saint George’s hinterhergelaufen, die eine Straße hinauf, die nächste wieder hinunter. Sein Tempo war zwar gemächlich, aber er legte keine Pausen ein, und die vielen steilen Hügel strengten ihre Muskeln langsam an. Während sie ihre letzten Tropfen Mineralwasser trank, staunte sie über Forbes’ Energie. Gerade wollte sie das ganze Projekt aufgeben, als er plötzlich auf das »Turtleback« zuhielt. Sie ließ ihm einen Vorsprung von zehn Minuten, bevor sie ebenfalls das Restaurant betrat und sich auf die Terrasse setzte. Sie saßen auf denselben Plätzen wie am Tag zuvor, und er trank auch heute wieder Coca-Cola, während er aufs Meer hinausstarrte.
Forbes war einer der wenigen Menschen auf Grenada, der in Jackett und Schlips herumlief. Lisbeth bemerkte, dass ihm die Hitze nichts auszumachen schien.
Um drei riss er Lisbeth aus ihren Gedanken, indem er bezahlte und das Lokal verließ. Abermals ging er am Hafen spazieren und bestieg dann einen der Minibusse, die zum Grand Anse Beach fuhren. Fünf Minuten bevor er aus dem Bus stieg, parkte Lisbeth vor dem Keys Hotel. Sie ging auf ihr Zimmer, ließ sich kaltes Wasser einlaufen und legte sich in die Wanne. Ihre Füße taten weh. Lisbeth legte die Stirn in tiefe Falten.
Die Unternehmungen dieses Tages sprachen eine deutliche Sprache. Jeden Morgen verließ Dr. Forbes das Hotel frisch rasiert und in voller Montur mit seiner Aktentasche. Und dann tat er den Tag nichts anderes, als die Zeit totzuschlagen. Was immer er wirklich auf Grenada tat, es hatte nichts mit den Planungen einer neuen Schule zu tun,
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