Verdammnis
plötzlich lachen.
»Allerdings. Leg dich nie mit Lisbeth Salander an. Wenn jemand sie mit einer Pistole bedroht, dann besorgt sie sich eben eine größere Pistole, das ist ihre Einstellung zu ihrer Umwelt. Deswegen hab ich auch so fürchterliche Angst bei allem, was derzeit passiert.«
»Und das war All Das Böse?«
»Nein. Jetzt geschahen zwei Dinge. Ich begreife es selbst nicht ganz. Zalatschenko war so schwer verletzt, dass er ein Krankenhaus aufsuchen musste. Im Grunde hätte es polizeiliche Ermittlungen geben müssen.«
»Aber?«
»Aber soweit ich herausfinden konnte, geschah nichts dergleichen. Lisbeth behauptet, es sei ein Mann vorbeigekommen, der mit ihrer Mutter gesprochen hat. Sie weiß nicht, was da geredet wurde oder wer er war. Und dann erzählte ihre Mutter, dass Zalatschenko Lisbeth alles verziehen habe.«
»Verziehen?«
»So drückte sie sich aus.«
Auf einmal begriff Mikael.
Björck. Oder einer von Björcks Kollegen. Sie mussten hinter Zalatschenko aufräumen. Verdammte Schweine . Er schloss die Augen.
»Was ist?«, fragte Palmgren.
»Ich glaube, ich weiß, was da passiert ist. Und dafür wird jemand büßen. Aber erzählen Sie erst weiter.«
»Zalatschenko erschien mehrere Monate nicht mehr auf der Bildfläche. Lisbeth wartete auf ihn und bereitete sich vor. Sie schwänzte jeden zweiten Tag die Schule, um ihre Mutter zu bewachen. Sie hatte Todesangst, dass Zalatschenko ihr etwas antun würde. Sie war zwölf Jahre alt und fühlte sich verantwortlich für ihre Mutter, die sich nicht traute, zur Polizei zu gehen, und auch nicht mit Zalatschenko brechen konnte, oder vielleicht einfach nicht verstand, wie ernst die Situation war. Aber genau an dem Tag, an dem Zalatschenko auftauchte, war Lisbeth in der Schule. Sie kam nach Hause, als er die Wohnung gerade verließ. Er sagte nichts, sondern lachte ihr nur ins Gesicht. Lisbeth ging hinein und fand ihre Mutter bewusstlos auf dem Küchenboden.«
»Aber Zalatschenko rührte Lisbeth nicht an?«
»Nein. Sie holte ihn ein, als er gerade in sein Auto stieg. Er kurbelte das Fenster herunter, vermutlich wollte er etwas sagen. Lisbeth war jedoch vorbereitet. Sie warf eine Milchtüte ins Auto, die sie mit Benzin gefüllt hatte. Und dann schmiss sie ein brennendes Streichholz hinterher.«
»Du lieber Himmel.«
»Sie versuchte zweimal, ihren Vater zu töten. Und dieses Mal hatte es Folgen. Man konnte ja schlecht verheimlichen, dass da ein Mann in der Lundagatan in seinem Auto saß und lichterloh brannte.«
»Er hat es jedenfalls überlebt.«
»Zalatschenko war übel zugerichtet und trug schwere Brandverletzungen davon. Sie mussten ihm einen Fuß amputieren. Er erlitt schwere Verbrennungen im Gesicht und am restlichen Körper. Und Lisbeth landete in der Kinderpsychiatrie von St. Stefans.«
Obwohl sie bereits jedes Wort auswendig kannte, las Lisbeth Salander noch einmal aufmerksam das Material aus Bjurmans Sommerhäuschen durch. Danach setzte sie sich ins Fenster und öffnete das Zigarettenetui, das sie von Miriam Wu bekommen hatte. Sie zündete sich eine Zigarette an und blickte zum Djurgården hinüber.
Sie hatte einige Details über ihr Leben erfahren, die ihr bis dato unbekannt gewesen waren. Nun fielen so viele Puzzleteile an ihren Platz, dass ihr ganz kalt wurde. Vor allem interessierte sie der Ermittlungsbericht, geschrieben von Gunnar Björck im Februar 1991. Sie war nicht ganz sicher, wer von all den Erwachsenen, mit denen sie damals gesprochen hatte, Björck gewesen war, aber sie meinte es zu wissen. Er hatte sich mit einem anderen Namen vorgestellt. Sven Jansson. Sie erinnerte sich an jede Nuance seines Gesichts, an jedes Wort, das er gesagt hatte, an jede Geste, die er bei ihren insgesamt drei Begegnungen gemacht hatte.
Es war das völlige Chaos gewesen.
Zalatschenko hatte in seinem Auto gebrannt wie eine Fackel. Er hatte die Tür aufgerissen und sich hinausgeworfen, war aber mitten in diesem Flammenmeer mit einem Fuß im Sicherheitsgurt hängen geblieben. Menschen kamen herbeigerannt, um das Feuer zu bekämpfen. Die Feuerwehr löschte schließlich das brennende Auto, und dann kam auch schon der Krankenwagen. Sie hatte versucht, die Notärzte davon zu überzeugen, dass sie Zalatschenko liegen lassen und sich stattdessen um ihre Mutter kümmern sollten. Doch sie hatten sie nur beiseite gestoßen. Dann kam die Polizei, und die Zeugen zeigten auf Lisbeth. Sie versuchte erneut zu erklären, was passiert war, doch niemand wollte ihr
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