Verdammnis
leben, aber sie ist eine Überlebenskünstlerin.«
Nicht allzu bescheiden. Sie hat fast drei Milliarden Kronen gestohlen. Hungern muss sie bestimmt nicht. Sie hat eine Truhe mit Goldstücken, so wie Pippi Langstrumpf.
»Aber ich verstehe nicht so ganz«, sagte Mikael, »warum Sie in all den Jahren nicht schon früher gehandelt haben.«
Holger Palmgren seufzte wieder. Ihm war beklommen zumute.
»Ich habe versagt«, gestand er. »Als ich ihr Betreuer wurde, war sie nur eine unter vielen schwierigen Jugendlichen. Solche hatte ich zu Dutzenden. Ich bekam diesen Auftrag von Stefan Brådhensjö, dem Chef des Sozialamts. Da saß sie aber schon in St. Stefans, und ich habe sie während des ersten Jahres nicht einmal kennengelernt. Ein paarmal habe ich mit Teleborian geredet. Er erklärte mir, sie sei psychotisch, aber bei ihnen in den denkbar besten Händen. Natürlich habe ich ihm das geglaubt. Doch ich habe auch mit Jonas Beringer gesprochen, der damals der Klinikchef war. Ich glaube, der hatte mit der ganzen Geschichte gar nichts zu tun. Er erstellte auf meinen Antrag hin ein Gutachten, und wir einigten uns darauf, dass ich versuchen sollte, sie über eine Pflegefamilie wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Damals war sie 15 Jahre alt.«
»Und dann haben Sie sie in all den Jahren weiter unterstützt.«
»Nicht genug. Nach dem Vorfall in der U-Bahn habe ich für sie gekämpft. Da kannte ich sie schon und mochte sie sehr gern. Sie hatte Rückgrat. Ich konnte verhindern, dass man sie wieder in eine Anstalt einwies. Der Kompromiss sah so aus, dass man sie für geschäftsunfähig erklärte und ich ihr rechtlicher Betreuer wurde.«
»Björck konnte sich ja nicht für ein bestimmtes Urteil starkmachen. Das hätte Aufmerksamkeit erregt. Er wollte sie einsperren und setzte auf extrem negative psychiatrische Gutachten, unter anderem von Peter Teleborian. Die Richter haben sich dann aber eher auf ihre Seite geschlagen.«
»Ich fand nie, dass sie einen Betreuer brauchte. Doch andererseits habe ich mich auch nicht gerade überschlagen, um den Beschluss wieder aufheben zu lassen. Ich hätte massiver und früher dagegen vorgehen müssen. Aber ich war so begeistert von Lisbeth und … habe es immer wieder aufgeschoben. Ich hatte so viel zu tun. Und dann wurde ich krank.«
Mikael nickte.
»Ich finde nicht, dass Sie sich Vorwürfe machen müssen. Sie waren eine der wenigen Personen, die sie in all den Jahren wirklich unterstützt haben.«
»Das Problem war nur, dass mir die ganze Zeit nicht klar war, dass ich handeln müsste. Lisbeth war meine Mandantin, aber sie hat kein Wort von Zalatschenko gesagt. Als sie aus St. Stefans kam, dauerte es mehrere Jahre, bis sie überhaupt Vertrauen zu mir fasste. Erst nach der Gerichtsverhandlung merkte ich, dass sie langsam mehr mit mir kommunizierte, als es die Formalitäten erforderten.«
»Wie kam es, dass sie anfing, von Zalatschenko zu erzählen?«
»Ich nehme an, dass sie trotz allem irgendwann anfing, mir zu vertrauen. Außerdem hatte ich schon mehrmals darüber gesprochen, dass ich das Urteil aufheben lassen wollte. Sie überlegte ein paar Monate, ehe sie mich eines Tages anrief und und sich mit mir treffen wollte. Und dann erzählte sie mir die ganze Geschichte von Zalatschenko und wie sie die Geschehnisse erlebt hatte.«
»Verstehe.«
»Dann verstehen Sie vielleicht auch, dass ich erst mal ganz schön daran zu knabbern hatte. Dieser Zalatschenko war ja in keinem Register in Schweden zu finden. Manchmal war ich mir nicht sicher, ob sie da nicht vielleicht etwas zusammenfantasierte.«
»Als Sie Ihren Schlaganfall bekamen, wurde Bjurman ihr Betreuer. Das kann kein Zufall gewesen sein.«
»Nein. Ich weiß nicht, ob wir das jemals beweisen können, aber ich habe den Verdacht, wenn wir tief genug graben, dann finden wir … irgendjemand, der an Björcks Stelle nachgerückt ist und die Zalatschenko-Affäre weiter vertuscht.«
»Ich kann Lisbeths Weigerung, mit Psychologen oder Behörden zu sprechen, gut verstehen«, meinte Mikael. »Jedes Mal wenn sie es versuchte, wurde alles nur noch schlimmer. Sie versuchte Dutzenden von Erwachsenen zu erklären, was geschehen war, und keiner hörte ihr zu. Sie versuchte ganz allein, ihrer Mutter das Leben zu retten, und verteidigte sie gegen einen Psychopathen. Schließlich tat sie das Einzige, was sie tun konnte. Dafür sperrte man sie ins Irrenhaus.«
»Ganz so einfach ist es nun auch wieder nicht. Ich hoffe, Ihnen ist klar, dass mit
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