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Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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erleben.«
    Bevor Mogwai Seppos Hose in Fetzen reißen konnte, drückte ich mich an ihm vorbei und rannte der Straßenbahn entgegen. Plötzlich wusste ich genau, was ich zu tun hatte.
    Ich musste runter an den Rhein, zum Abbruchhaus, an den Ort, wo ich David und den anderen gezeigt hatte, was ich noch konnte.
    Und jetzt würde ich mir selbst zeigen, was ich noch konnte.
    Ganz allein.

Abendrot
    Als ich das Rheinufer erreichte, merkte ich, dass ich mich viel zu dick angezogen hatte. Ich riss mir den Schal vom Hals, hängte ihn über einen Ast und öffnete den Reißverschluss meiner Jacke. Es roch fast ein bisschen nach Frühling. Nur noch zwei Wochen und ich feierte meinen vierzehnten Geburtstag, und da ich am 1. April Geburtstag hatte, würden sich wieder etliche Leute einen Witz daraus machen.
    »Nur Seppo wird nicht dabei sein«, sagte ich zu mir selbst, und der laue Wind trug meine Worte davon, bevor ich sie hören konnte.
    Das Abbruchhaus erhob sich nur wenige Meter vor mir über dem Fluss. Die Abendsonne strahlte es von der Seite an und überzog die vielen Geländer mit einem goldenen Schimmer. Das Wasser des Rheins sah nicht schmutzig aus, sondern beinahe so blau und grün wie die Schuppen an meinem Meerjungfrauenkostüm, das ich nie wieder anziehen würde.
    Mogwai drängte sich an mein Bein und blickte fragend zu mir hoch. Dann fiepte er beunruhigt. Sein Schwänzchen hing traurig herab. Vitus flimmerte über mich hinweg auf das Haus zu und waberte vor dem verbarrikadierten Eingangstor auf und ab. Wusste er denn nicht, was ich hier tun wollte? Eigentlich musste er um mich herumwabbeln wie auch sonst immer. Es sah fast so aus, als wartete er auf mich.
    Aber ich konnte mich nicht recht entscheiden, was ich tun sollte. Die Wut tobte in mir, und ich wollte mich so dringend bewegen und den Boden unter mir verlassen, dass meine Beine und Arme schmerzten. Doch was sollte ich mit Mogwai machen? Ihn hier auf der Wiese sitzen lassen? Und wenn er dann von jemand anderem mitgenommen wurde? Entführt? Vielleicht kam auch ein Spaziergänger vorbei und dachte, er sei ausgesetzt worden – denn wahrscheinlich würde Mogwai in einem fort vor sich hin fiepen und jaulen.
    Nein, ich musste ihn mitnehmen. Er war nicht groß und schwer war er auch nicht. Ich legte meine Arme um ihn, hob ihn hoch und stopfte ihn mit den Füßen voran in den Ausschnitt meiner Kapuzenjacke. Dann zog ich den Reißverschluss zu, so weit es ging. Mogwai hechelte nervös und blies mir seinen fischigen Atem ins Gesicht. Ich wandte mich ab, um tief Luft zu holen. Dann rannte ich los.
    Ich war nicht aufgewärmt, und schon bei meinen ersten Schritten merkte ich, dass ich mich nicht so schnell und so geschmeidig bewegte wie früher. Doch ich schaffte es, auf die erste Fensterbank zu springen und mich an dem Geländer über mir nach oben und durch eine zersplitterte, herausgebrochene Scheibe in das erste Stockwerk zu ziehen. Mehr ging nicht – ich hätte zwar noch Puste gehabt, aber Mogwai begann in meiner Jacke zu strampeln und zu winseln. Ich hatte Angst, dass er sich befreite und auf den Steinboden plumpste. Also hielt ich widerwillig an.
    Vitus glitt hinter mir durch das Fenster und huschte silbrig die Treppe hinauf. Ich hatte einen miserablen Run abgeliefert. Trotz Hund im Gepäck. Aber ich wollte nicht Mogwai auf dem Gewissen haben, wenn ich mich weiter über die Balkone nach oben hangelte.
    Es hat auch seine Vorteile, allein Parkour zu machen, dachte ich. Niemand sah mich, wenn ich wie ein ganz normaler Mensch die Treppen nahm. Denn genau das würde ich jetzt tun. Mit hängendem Kopf kämpfte ich mich über die schiefen und wackelnden Stufen nach oben – bis zu dem Stockwerk, wo Leander die Zeit angehalten hatte.
    Ich stellte mich in die Mitte des Raumes, setzte Mogwai auf dem Boden ab und band ihn an einem verwitterten Heizungsrohr fest. »Du musst jetzt auf mich warten, Kleiner. Ich hole dich nachher wieder ab.« Er knurrte mich schlecht gelaunt an und begann, seinen Hintern zu lecken.
    Sollte ich das wirklich tun? Ohne Leander? Das letzte Mal war er plötzlich vor mir erschienen, als ich auf das Fenster zugerannt war. Ich war gegen ihn geprallt, er hatte die Zeit angehalten und mir gesagt, an welchen Stellen ich aufpassen musste. Und beim ersten Fenstersprung hatte er mir sogar Schwung gegeben.
    Ich sah prüfend zu Vitus hinüber. Er hatte sich über dem rechten Fenster positioniert, die Augen grell geöffnet. Jetzt schloss er sie wieder, kam aber

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