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Verdammt wenig Leben

Verdammt wenig Leben

Titel: Verdammt wenig Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Alonso , Javier Pelegrin
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Minerva, der verletzlichen Frau mit den kupferroten Haaren) stieg in ihm auf. Es war nur ein Gesicht, das im luftleeren Raum schwebte, ein Gesicht ohne Bedeutung. Er kannte sie nicht. Und würde sie auch nie kennenlernen. Sie gehörte der Welt der »Unsichtbaren« an, wie Susanna sie genannt hatte. Er hingegen …
    Das vibrierende Geräusch der Klingel riss ihn abrupt aus seinen Tagträumen. Er drehte das Wasser ab, blieb reglos wie eine Statue stehen und lauschte. Es klingelte wieder und wieder, lang und drängend, in Abständen von höchstens drei oder vier Sekunden. Wer auch immer da vor seiner Tür stand – er hatte ein dringendes Anliegen, soviel war klar.
    Tinkerbell tauchte flatternd in der Badezimmertür auf. Sie war nur ein seelenloser Apparat, aber Jason lebte lange genug mit ihr zusammen. Immer wenn sie so krampfhaft mit den Flügeln schlug, war ihr Zustand durchaus mit Nervosität vergleichbar.
    »Es ist Paul, dein Agent«, verkündete sie sanft. »Soll ich ihm aufmachen? Ich kann ihn unterhalten und ihm einen Snack anbieten, bis du angezogen bist.«
    Jason nickte und beobachtete mit einem nachsichtigen Lächeln, wie sie durch den Flur davonflog. Immer wieder überraschte ihn Tinkerbells Unfähigkeit, die Stimmung eines Menschen richtig einzuschätzen. Sie kannte Paul seit Jahren und hätte an seinem Klingeln erkennen müssen, dass etwas Ungewöhnliches vorgefallen war. Wie konnte sie glauben, er ließe sich mit einem Aperitif ablenken, als handelte es sich um einen ganz normalen Besuch?
    Das Handtuch um die Hüfte geschlungen, ging Jason ins Schlafzimmer und warf hastig die Sachen aufs Bett, die er anziehen wollte. Er hatte die Hose noch nicht ganz zugeknöpft, als Paul zornig ins Zimmer gestürmt kam. Hinter ihm tauchte Tinkerbell auf, aber der Agent knallte ihr die Tür vor der Nase zu.
    »Dir auch einen guten Tag«, begrüßte Jason ihn in sarkastischem Ton.
    Paul starrte ihn an, ohne zu lächeln. Er war kreidebleich und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Jason konnte sich nicht erinnern, ihn je so fertig gesehen zu haben.
    »Bist du verrückt geworden, Jason?«, warf er ihm an den Kopf. Er musste sich beherrschen, um nicht zu schreien. »In was zum Teufel bist du da reingeraten?«
    Jason setzte seine Unschuldsmiene auf. Sie war so perfekt, dass sogar die Stimme einen gekränkten Unterton annahm. »Was hast du, Paul?«, fragte er. »Warum schreist du so, ist was passiert?«
    Anstelle einer Antwort zog Paul sein kugelförmiges Telefon aus der Hosentasche und als er mit einem Sprachbefehl einen Code aktivierte, projizierte es die holografische Ansicht einer der im Netz am häufigsten aufgerufenen Tageszeitungen in die Luft.
    Jason las schweigend die große Schlagzeile über dem Artikel auf der unteren Seitenhälfte: »Der renommierte Mikrobiologe Edgar Frey fällt von ihm erforschtem Virus zum Opfer.«
    »Das tut mir leid für ihn«, sagte Jason. »Ich nehme an, es ist ein großer Verlust für die Wissenschaft.«
    »Das ist alles, was du dazu zu sagen hast?«, brach es aus Paul heraus, während er die Projektion mit einer unwirschen Handbewegung deaktivierte. »Verkauf mich nicht für dumm, Jason. Die ganze Sache ist gefährlich, sehr viel gefährlicher, als du dir vorstellen kannst. Und ich kann dir nur helfen, wenn du mir alles erzählst.«
    »Was sollte ich dir erzählen?«, unterbrach Jason ihn eisig. »Glaubst du etwa, dass ich etwas damit zu tun habe? Dass ich Viren züchte und damit Leute umbringe? Ich bitte dich, Paul, jetzt sag mir endlich, was los ist!«
    Paul sah ihm einen Moment zweifelnd in die Augen.
    »Es kann kein Zufall sein. Du hast mich mitten in der Nacht angerufen, um dich nach ihm zu erkundigen. Du hast mich gebeten, dir sein Drehbuch zu schicken, und ich habe es auch noch getan. Ich Idiot! Wenn das herauskommt, werden sie mich für deinen Komplizen halten.«
    »Aber wovon redest du da, Paul? Kennst du mich wirklich so schlecht?« Diesmal war Jasons gekränkter Ton aufrichtig. »Hältst du mich wirklich für fähig, jemanden umzubringen? Und warum sollte ich das tun?«
    Paul ließ sich aufs Bett sinken, stützte die Ellbogen auf die Knie und vergrub das Gesicht in den Händen. »Ich weiß es nicht, Jason, ich weiß es nicht.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Man geht davon aus, dass er den Impfstoff eingenommen hat. Das hätte ihn gegen das Virus immun machen müssen.«
    »Ach komm, du weißt doch so gut wie ich, dass er nur ein Placebo geschluckt hat. Du hast doch sein

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