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Verdammt wenig Leben

Verdammt wenig Leben

Titel: Verdammt wenig Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Alonso , Javier Pelegrin
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haben spezielle Schlösser. Die lassen sich nicht elektronisch öffnen, sondern nur von Hand.«
    »Ich weiß.« Jason zog aus der rechten Hosentasche den Schlüsselbund aus der Wohnung der Allen-Schwestern und wedelte damit vor Tinkerbells Gesicht.
    »Das hier sind die manuellen Schlüssel, mit denen du ins Studio hineinkommst«, erklärte er. »Kannst du damit umgehen? Man braucht eine ziemlich präzise Koordination, um eines dieser Dinger ins Schloss zu stecken und zu drehen.«
    »Meine Feinmotorik ist besser als bei jedem Menschen«, erwiderte Tinkerbell gekränkt. »Aber woher soll ich wissen, welchen Schlüssel ich nehmen muss?«
    »Du scannst das Innere des Schlosses mit einer Lasersonde und nimmst den mit der passenden Form. Für dich ist das leicht.«
    Tinkerbell streckte einen ihrer Gelenkarme aus, griff nach dem Schlüsselbund und verstaute ihn in einem Fach in ihrem unteren Modul.
    »Was soll ich tun, wenn ich drin bin?«, fragte sie.
    Jason lud mehrere dreidimensionale Fotos von Carlos Muro von seinem Telefon auf ihren Arbeitsspeicher.



»Du musst diesen Typen da suchen«, sagte er. »Oder vielmehr das Minilesegerät, auf das er seine Drehbücher bekommt. Alle Teilnehmer haben so eins. Wenn du es hast, lädst du diese Nachricht in den Speicher. Sie aktiviert sich selbsttätig, sobald er das Gerät einschaltet.«
    »Aber die Aufnahmetechniker werden mich sehen«, wandte Tinkerbell besorgt ein. »Bei solchen Sendungen gibt es immer menschliche Techniker.«
    »Nachts nicht. Dann müssten sie schlafen. Es kann sein, dass die Kameras deine Bewegungen erfassen und die Bilder ins Datenauswertungszentrum schicken, aber bis sie merken, was los ist, bist du längst wieder draußen, und der Typ wird meine Nachricht gelesen haben.«
    »Was schreibst du ihm?«, fragte Tinkerbell neugierig. »Es muss sehr wichtig sein, wenn du mich mitten in der Nacht losschickst.«
    »Ich warne ihn, dass er in Gefahr ist und sein Drehbuch nicht befolgen soll. Aber das darfst du niemandem erzählen, Tinkerbell. Niemandem, unter keinen Umständen, hörst du?«
    »Was hast du denn auf einmal? Ich bin darauf programmiert, alle Diskretionsklauseln meinem Besitzer gegenüber einzuhalten, und das bist du. Ich bin kein Mensch, Jason. Du brauchst dir keine Gedanken um meine Verschwiegenheit zu machen.«
    Jason zwang sich zu einem Lächeln. Tinkerbell war im Lesen von Gesichtsausdrücken wirklich gut und sie sollte nicht merken, was für ein schlechtes Gewissen er hatte, sie mit einer derart riskanten Mission zu beauftragen.
    »Wenn sie dich schnappen, sag ihnen die Wahrheit«, riet er ihr leichthin. »Früher oder später finden sie sie sowieso heraus.«
    »Hast du nicht gesagt, ich habe genug Zeit, um zu verschwinden?«
    »Die hast du auch. Aber man muss auf alles vorbereitet sein. Ach, und noch etwas: Minerva hat mir das Bild eines Gegenstandes geschickt, der sich wahrscheinlich in diesem Studio befindet. Es ist dieser Kompass«, fügte er hinzu und hielt das Bild vor Tinkerbells Mikroscanner, damit sie es einlesen konnte. »Du musst ihn mir bringen.«
    »Das heißt, ich soll für dich stehlen«, schlussfolgerte Tinkerbell belustigt. »Das ist nun wirklich etwas Neues für mich.«
    »Bitte keine Witze, Tinkerbell«, unterbrach Jason stirnrunzelnd. »Das ist eine sehr ernste Angelegenheit. Hol mir diesen Kompass, auch wenn es das Letzte ist, was du tust. Hast du mich verstanden?«
    Tinkerbell nickte mit ihrem hübschen Metallgesicht. Dann schwang sie sich in die Luft und flog zum Fenster.
    »Bis später, Jason.« Zum Abschied winkte sie mit einem ihrer zarten Stahlhändchen.
    »Ich lasse meinen persönlichen Kommunikationskanal die ganze Zeit aktiv. Setz dich mit mir in Verbindung, wenn es irgendein Problem gibt. Viel Glück, Tinkerbell. Und vor allem, verhalte dich unauffällig.«
    Nachdem Jason sich den Pyjama angezogen hatte, legte er sich mit dem Telefon in der Hand ins Bett. Er hatte Gewissensbisse, weil er Tinkerbell in das Wohnhaus-Studio von »Lebendige Lyrik« geschickt hatte; aber wie sonst sollte er Carlos Muro vor der Gefahr warnen, in der er und seine Mitbewohner schwebten?
    Die halbe Nacht hatte er über verschiedene Möglichkeiten nachgegrübelt. Er wusste ja nicht einmal, inwiefern sich das Storyboard, das Minerva ihm geschickt hatte, von Carlos Muros Originaldrehbuch unterschied. Vielleicht überhaupt nicht … Vielleicht war dieser kollektive Selbstmord vorab mit dem Produzenten vereinbart worden. In diesem Fall würde

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