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Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Seyfried
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herauskommt, sieht sie den Alten auf dem Trottoir vorbeigehen und bleibt wie erstarrt stehen. Gott sei Dank steht sie im Halbdunkel, und er bemerkt sie nicht. Glück gehabt, denkt sie, eine Minute früher, und ich wäre ihm direkt in die Arme gelaufen. Ihr Herz klopft heftig vor Aufregung.
    Sie wartet, bis er mindestens fünfzig Meter weiter ist, dann verläßt sie den Torweg, spannt den Schirm auf und geht ihm nach. Ob er nach Hause will? Dann weiß ich, wo er wohnt, frohlockt sie, und dann, ja, was dann?
    Am Ende der St. Martin’s Lane überquert er den Trafalgar Square in Richtung Admiralty Arch. Er hat einen Umweg gemacht. Warum ist er vorhin nicht gleich in die andere Richtung zur Charing Cross gegangen?
    Sie folgt ihm durch das mächtige Halbrundportal des Arch, vorbei an der Admiralität und über den Parade Ground. Bei dem nassen und kalten Wetter sind hier nur wenige Leute unterwegs. Regungslos stehen die Wachen der Horse Guards unter ihren blanken Silberhelmen in den Torbogen. Der Alte geht am Schatzamt und an der Downing Street vorbei und dann in die kleine Princes Street. Für einen älteren Herrn marschiert er recht flott.
    Allmählich tun ihr die Füße weh, sie hätte sich andere Schuhe anziehen sollen. Der Regen hat etwas nachgelassen, aber es nieselt immer noch. Nun sind sie an der Westminster Abbey, hier biegt er in die Victoria Street ein. Bisher hat er sich kein einziges Mal umgesehen. Zur Sicherheit geht sie aber auf die andere Straßenseite, falls er doch einmal über die Schulter blickt. Gut, daß es regnet, hinter dem Schirm kann sie sich verstecken, ohne verdächtig zu wirken.
    Da! Er bleibt vor einem Hauseingang stehen und kramt in der Manteltasche. Victoria Street Nummer 25, flüstert sie vor sich hin. Wohnt er da? Oder besucht er jemanden? Jetzt geht er hinein. Wenn es schon dunkel wäre, könnte sie sehen, in welcher Wohnung Licht angeht, aber es ist ja erst halb vier. Vielleicht ist es gar kein Wohnhaus? Links und rechts vom Eingang sind lauter Schilder, vielleicht Rechtsanwälte, Notare oder Ärzte.
    Sie überquert die Straße, und zwar schräg, so daß es nicht so aussieht, als ob sie auf das Haus zusteuerte. Dann zurück und vorbei am Eingang. Just da öffnet sich die Tür, und eine Frau tritt heraus, eine Frau mit Schürze und einem Eimer in der Hand, wahrscheinlich die Concierge. Vivian bleibt stehen und sagt: » Ach bitte, Madam, der Gentleman, der eben hier hineinging, war das nicht Professor Ryan vom Natural History Museum?«
    » Der mit dem Stock?« Die Frau schüttelt den Kopf: » No, my dear, das war Mr. Morgan. Der ist kein Professor.« Sie zeigt auf ein einfaches Messingschild: W. Morgan, General Agent, No. 25 Victoria Street, Westminster. 1st Floor.
    London, Kentish Town, 17. Januar 1913, Freitag
    Drummond tritt ein paarmal gegen die Stufe, um den Schnee von den Schuhen zu klopfen, während er in der Manteltasche nach den Schlüsseln kramt. Es war ein langer Tag, und er ist durchgefroren und müde. Er schließt die Haustüre auf und tappt im Dunkeln auf die Treppe zu, als sich die Tür der Hausmeisterwohnung einen Spalt öffnet.
    » Mr. Drummond? Sind Sie es?«
    » Ja. Was gibts denn, Mr. Swift?«
    » Ein Bote hat etwas für Sie abgegeben, einen Augenblick, ich hole es schnell.«
    Der Hausmeister kehrt zurück und reicht ihm ein flaches Päckchen. » Hier, bitte. Soll ich die Tür kurz auflassen, damit Sie auf der Treppe Licht haben?«
    » Danke, Mr. Swift, nicht nötig, ich finde mich schon zurecht.«
    In seiner Wohnung macht Drummond das Gaslicht an, legt das Päckchen auf den Tisch und setzt Wasser auf. Dann erst zieht er Mantel und Schuhe aus und schlüpft in die Pantoffeln. Die Wohnung ist eiskalt. Er kniet vor dem Kamin nieder und macht Feuer. Danach brüht er sich eine Kanne Tee auf und setzt sich an den Tisch. Auf dem Päckchen steht nur seine Adresse, kein Absender. Mit dem Taschenmesser schneidet er es auf. Es enthält einen grauen Aktendeckel, nicht ganz fingerdick, und obenauf eine Notiz:
    Randolph,
    anbei eine Abschrift der Akte der Special Branch in der Angelegenheit Sergeant McIntyre; ich habe Dir davon erzählt. Habe diese photographische Kopie machen lassen für den Fall, daß das Original verschwinden sollte. Bitte bewahre sie für mich auf. Beigefügt habe ich einen Geheimbericht aus dem Jahr 1901, der aus Deutschland stammt und mir durch Zufall in die Hände geraten ist. Er wird Dich interessieren, denke ich, denn er wirft ein bezeichnendes Licht auf

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