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Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Seyfried
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läßt ihm einen guten Vorsprung, dann löst sie sich aus dem Tor und folgt ihm. Er geht rasch und schwingt den Stock dabei, so als wäre er gut gelaunt. Am Charing Cross biegt er in die Strand ein, und sie geht ein wenig schneller, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren, denn hier sind eine Menge Leute unterwegs. Da vorn ist Gatti’s Café, aber er geht daran vorbei. Kein einziges Mal schaut er über die Schulter, er kommt gar nicht auf den Gedanken, jemand könnte ihm folgen. Das macht Spaß, den Spieß einfach umzudrehen. Wenn der wüßte!
    Vorbei am Cecil Hotel, gleich wird er an der Savoy Street sein– nein, er will in ein Haus! Sie geht schneller und sieht, daß es ein Restaurant ist. Der livrierte Türsteher verneigt sich vor ihm, jetzt drückt Morgan dem Mann etwas in die Hand, und der hält ihm die Tür auf und verbeugt sich dabei noch einmal. Unschlüssig bleibt sie stehen. Das Restaurant heißt Simpson’s Tavern. Sie geht daran vorbei und bemerkt den Hinweis Damenzimmer im ersten Stock. Also eins dieser blöden Restaurants, zu denen nur Gentlemen Zutritt haben. An der Ecke zur Savoy Street bleibt sie stehen und nagt unschlüssig an den Fingerspitzen ihrer Handschuhe. Ob sie hineingehen soll? Ihm vor allen Gästen Beleidigungen an den Kopf werfen? Man wird sie hinausschmeissen, vielleicht sogar verhaften. Und überhaupt ist das Unsinn, was sie da vorhat. Man wird sie gar nicht erst hineinlassen.
    Doch! Der Damensalon. Da war kein Hinweis auf einen separaten Eingang. Sie macht kehrt und marschiert auf die goldumrahmte Türe zu.
    » Zum Salon für Damen?« fragt sie den Türsteher.
    » Die Treppe hinauf, Madam, wenn Sie so freundlich sein wollen! Willkommen!« Er hält ihr die Tür auf, und sie geht hinein. Ein hell erleuchteter, großer Vorraum, links die breite, geschwungene Marmortreppe, flankiert von lebensgroßen Mohrenfiguren aus geschwärzter Bronze, die elektrische Lampen hochhalten. Geradeaus, zwischen Stechpalmen in Kübeln, der Eingang zum Restaurant. Rechts ein Rezeptionstischchen, dahinter ein Angestellter im Frack, neben ihm ein livrierter Portier. Sie beachtet sie nicht und geht zur Treppe. Kurz vor den Stufen schwenkt sie ab und steuert auf das Restaurant zu.
    » Madam!« hört sie noch, bevor sich die Tür hinter ihr schließt, » Excuse me, Madam!?«
    Sie tritt in einen großen Speisesaal, die Wände in dunklem Weinrot getäfelt, üppig verzierte Kristallüster, umnebelt von Tabakrauch. Alle Tische sind belegt. Und da sitzt Morgan mit zwei Herren am Tisch, soeben setzt ihnen ein Ober silbergedeckte Schüsseln vor. Sie marschiert schnurstracks auf die Gruppe zu, die Stirn heiß vor Aufregung und Zorn, und zupft sich einen Handschuh herunter.
    » Mister Morgan!«, ruft sie mit vor Erregung schriller Stimme und so laut, daß schlagartig alle Gespräche im Saal verstummen. » Sie sind ein erbärmlicher und ekelhafter Schnüffler!«
    Damit klatscht sie ihm den Handschuh ins Gesicht. » Sie wollen ein Scotland-Yard-Beamter sein? Sie sind eine Schande für England!« Dann beugt sie sich vor und stößt mit einem Ruck den gefüllten Teller, der vor ihm steht, vom Tisch und in seinen Schoß. » Da! Guten Appetit, Sie Schwein!«
    Alle Köpfe im Lokal wenden sich ihr zu. Morgans Gesicht läuft blaurot an. Es sieht aus, als würde er einen Herzanfall erleiden. Braune Soße bekleckert die weiße Hemdbrust, tropft zäh von seinem Jackett. Er stemmt sich mühsam hoch und ringt nach Atem.
    » Schafft sie hinaus!« keucht er, » sofort! Verdammtes Suffragettenpack!«
    Schon packt sie einer am Arm.
    » Scher dich weg!«, schreit sie den Kellner an und tritt ihm gegen das Schienbein. Mit einem heftigen Ruck reißt sie sich los und stürmt zum Ausgang. Hinter ihr bricht ein wildes Durcheinander los, lautes Geschrei und Schimpfen, aber keiner stellt sich ihr in den Weg. Sie gelangt ungeschoren hinaus auf den Gehweg, rutscht im Schneematsch aus und fängt sich gerade noch, bevor sie auf die Fahrbahn taumelt. Dann rafft sie Rock und Mantel und rennt blindlings davon.
    Als sie zehn Minuten später von der St. Martin’s Lane her in den Cecil Court einbiegt, völlig außer Atem und immer noch hysterisch kichernd, sieht sie im schwachen Schein der Straßenlaterne die unverkennbaren Silhouetten zweier Constables vor ihrer Haustür. Augenblicklich macht sie kehrt. O Gott, denkt sie, der Alte will mich verhaften lassen! Sie hastet über die Straße und flieht in den schmalen, dunklen Goodwins Court.
    Zu Emmy! Sie

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