Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
unserer Abteilung und geht mich daher gar nichts an. Und der Kollege bekäme Ärger wegen seiner Indiskretion.«
» Ja«, meint sie, » das sehe ich ein. Aber ich muß es Vivian sagen! Das arme Ding grämt sich schrecklich, weil sie so lange nichts mehr von ihrem Freund gehört hat!«
» Ja natürlich, deshalb habe ich es dir ja gesagt. Es darf nur nicht bekannt werden, daß die Auskunft von mir stammt, denn dann würden sie mich rausschmeißen. Vivians Freund lebt in Kiel?«
» Ja, er ist bei der Marine, glaube ich. Ein netter Kerl. Dem wird es wohl ähnlich gehen.«
» Vivian wird ihm das mit den Briefen schreiben wollen, was meinst du?«
» Ich hoffe doch! Ich werde es ihr jedenfalls dringend raten. Aber wird dieser Brief dann nicht auch verschwinden?«
» Gut möglich, solange der Adressat dieser Deutsche ist. Vielleicht sollte sie einen Brief ganz allgemein an die deutsche Marine in Kiel schicken mit der Bitte, einen zweiten beigelegten Brief an ihren Freund weiterzusenden. Und dann sollte sie auch unbedingt einfach nur die Adresse der Lady Couriers als Absender verwenden, damit bloß keinerlei Verdacht aufkommt. Und mit dieser Methode und an diese Adresse soll er dann zurückschreiben. Weder sein Name noch ihr Name dürfen auf dem Kuvert irgendwo auftauchen. Ist dir das recht?«
» Natürlich! Außerdem bearbeite ich die eingehende Post. Wenn ich nicht gerade auf Tour muß. Aber das wird schon klappen.«
Sie beugt sich weit über den Tisch und drückt ihm einen Kuß auf die Lippen. » Du bist ein Schatz!«
Dann erschrickt sie. » Herrjeh! Die beiden haben sich ja immer über meine Adresse geschrieben! Dann bin ich also auch unter Verdacht?«
Drummond wiegt den Kopf. » Vielleicht. Aber ich glaube nicht, daß du dir deswegen große Sorgen machen mußt. Sie werden denken, daß Vivian nur vermeiden will, daß ihr Vater die Briefe liest.« Bisher liegt keinerlei Verdacht auf Emmeline, nicht einmal Melville hat ihren Namen in dieser Angelegenheit je erwähnt. Das weiß Drummond. Sie schweigen eine Weile. Dann fragt Emmeline: » Was machst du eigentlich im Home Office?«
Die Antwort hat er sich längst zurechtgelegt. » Ich arbeite in der Abteilung Immigration und bin, vereinfacht gesagt, für Vorschriften betreffend Einreise von ausländischen Staatsbürgern in Großbritannien zuständig.«
» Aha. Klingt langweilig.«
» Ist es auch.«
Auf dem Heimweg wirft er einen Blick in das Schaufenster einer Buchhandlung. Le Queux liegt in der vordersten Reihe, natürlich. In der Mitte Spies of the Kaiser, gleich fünf Exemplare, und zwei neue, die er nicht kennt: The Mystery of Nine und Without Trace. Dekoriert ist die Auslage mit einem Spielzeugrevolver und einer schwarzen Augenmaske.
Trotzdem, allmählich scheint man auch im SSB zu merken, daß die Aussagen von Le Queux jeder Grundlage entbehren. In keinem einzigen Fall konnte er auch nur den geringsten Beweis für seine Behauptungen liefern. Dennoch muß es Spionage geben, denkt Drummond, aber offensichtlich in wesentlich geringerem Umfang. Nur Melville behauptet immer noch, Peterman und Seiler leiteten den deutschen Agentenring in England, und will nicht aufgeben. Daß er sowohl mit der Durchsuchung als auch mit der Provokation durch Le Queux zwei peinliche Fehlschläge erlitten hat, scheint ihm nichts auszumachen. Ihm ist nur wichtig, daß die Presse weiter über deutsche Spione berichtet. Was für ein sturer Hund.
Über Clarkes Weggang ist im SSB kein Wort verloren worden. Ein neuer Mann ist bereits an seine Stelle getreten. Henry Fitzgerald, zuvor Sergeant der Metropolitan Police, ist Anfang Januar als Detektiv angestellt worden. Er hat gelegentlich schon vorher informell für das Bureau gearbeitet.
Drummond geht auf den Eingang zur Tube Station Strand zu und wirft einen flüchtigen Blick auf den Zeitungsstand. Da sticht ihm die fettgedruckte Schlagzeile der Evening News in die Augen:
GERMAN SPY BOOKSHOP IN CHARING CROSS !
Chief organizer A Man of Mystery!
Darunter schreit The Globe:
CHARING CROSS BOOKSELLER WAS SPYMASTER !
Driven by hate! Shocking evidence found!
London, Cecil Court, 16. Januar 1913, Donnerstag
Drummond ist am Vormittag vom Friseurladen in Islington abberufen worden, wo er seit vier Wochen abwechselnd mit Regan herumlungern mußte, ohne daß sich irgendetwas Nennenswertes ereignet hätte. Der Friseur Karl Ernst schien außer seinem Beruf nichts im Kopf zu haben. Jeden Freitag ging er ins nahe gelegene Pentonville-Gefängnis,
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