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Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Seyfried
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muß mir helfen. Bei ihr kann ich sicher erst mal ein paar Tage bleiben.
    Sie läuft quer über den Covent Garden Market, der zu dieser späten Stunde dunkel und verlassen ist. Der kürzeste Weg zu Emmeline führt am New Police Court vorbei, aber das traut sie sich nicht und läuft lieber durch die Russell Street. Endlich erreicht sie das kleine Sträßchen Clare Market. Am anderen Ende wohnt Emmeline. Als sie vor dem Haus ankommt, sieht sie, daß bei ihr kein Licht brennt. Ob sie schon schläft? Kaum, es ist ja höchstens halb elf. Wahrscheinlich ist sie ausgegangen. Hier gibt es keine elektrischen Klingeln. Sie probiert die Haustür, aber es ist abgeschlossen.
    Jetzt spürt Vivian erst, wie schrecklich kalt es ist. Sie geht vor dem Haus verzweifelt auf und ab, aber Emmy kommt nicht. Statt dessen fängt es an zu schneien. Von irgendwoher schlägt eine Kirchturmuhr, elfmal. Doch nach Hause? Vielleicht sind die Polizisten inzwischen weg? Falls nicht, könnte sie hinten herum ins Haus, aber nur, wenn das Hoftor vom Duke-of-York-Theater nicht abgeschlossen ist. Frierend, müde und hungrig macht sie sich auf den langen Rückweg. Der Schnee fällt jetzt in dicken Flocken.
    Die zwei Polizisten stehen immer noch vor dem Buchladen, sieht sie, als sie beim Salisbury vorsichtig um die Ecke lugt. Bleibt nur noch das Hoftor vom Theater. Das ist verschlossen. Sie versucht die Haustür daneben, und die geht auf. Sie tastet sich durch den dunklen Flur, an der Treppe vorbei und findet den Ausgang zum Hof. Auch diese Tür ist nicht abgeschlossen. Erleichtert atmet sie auf, tappt leise über den Hof, unter den Teppichstangen hindurch zur kleinen Pforte in der Mauer. Die quietscht, als sie sie öffnen will. Erschrocken hält sie inne. Dann versucht sie es ganz langsam und nur so weit, bis sie sich durchwinden kann. Jetzt durch die beiden nächsten Höfe, dann über den kleinen Zaun vom Nachbargrundstück. Eine mühsame Kletterei mit dem langen Rock und dem Mantel. Natürlich verhakt sich der Rock irgendwo. Sie zerrt verzweifelt daran, bis er sich losreißt, beinahe stürzt sie noch vom Zaun herunter. Endlich! Nur noch das Türchen zu ihrem Hof. Zentimeterweise öffnet sie es, schleicht hindurch und zieht es leise wieder zu. Schleicht aufs Haus zu.
    Aus Schwärze und Schneegewirbel sagt eine knarzige Stimme: » Guten Abend, Miss Peterman.«
    London, Charing Cross Station, 20. Januar 1913, Montag
    » Ich hab gehört, du gehst zur Polizei, Stanley?«
    » Stimmt«, nickt Clarke, » ab ersten Februar bin ich Deputy Chief Constable of Kent. Nächste Woche ziehe ich nach Maidstone um.«
    » Gratuliere! Direkt aufs Sprungbrett zum Chief Constable!«
    » Ja. In ein paar Jahren vielleicht.«
    Drummond und Stanley Clarke sitzen beim Lunch im Restaurant der Charing Cross Station, ein großer Saal voller Stimmengewirr, Geschirrgeklapper und Tabakqualm. Clarke legt das Besteck weg und tupft sich den Mund mit der Serviette ab.
    » Und? Was macht unser sekretiver Verein? Alles beim alten?«
    » Na ja, wie immer. Einen Nachfolger für dich als Kells Assistent gibt’s schon, ein gewisser Holt-Wilson von der Woolwich Royal Military Academy. Und wir haben jetzt einen weiteren Detektiv. Drake heißt der Mann, kommt von Scotland Yard und soll sich auf Spionageabwehr spezialisieren. Bin ihm aber noch nicht begegnet.«
    » Und dieser Holt-Wilson? Was ist das für einer?«
    » Na ja, der ist ja erst seit Dezember bei uns, hab noch keinen richtigen Eindruck. Excaptain bei der Army, Pioniere. Nicht unsympathisch. Sportlich, würd ich sagen, federnder Schritt, energisch. Westmacott sagt, er macht alles mögliche, reitet, rudert, spielt Tennis und soll ein Champion beim Revolverschießen sein. Zur Zeit krempelt er die ganze Büroorganisation um, strukturiert die Registratur neu, führt das amerikanische Roneo-Karteisystem ein und all so was.«
    » Mehr der Mann fürs Bürokratische, was? Aber sag mal, was tut sich denn in der Buchladengeschichte? Kratzt Melville da immer noch dran rum?«
    Drummond nickt und berichtet Clarke über Melvilles verbissene Verfolgung von Vivian, die er für völlig unsinnig hält. » Wenn man über sie an Seiler heranwill, sollte man sie in Ruhe lassen.« Auch Petermans Verhaftung halte er für einen schweren Fehler, besonders, da sie öffentlich bekanntgegeben worden sei. » Deutsche Agenten werden sich jetzt hüten, ihnen nahe zu kommen. Ich frage mich, ob Melville so kurzsichtig ist, oder ist ihm nicht klar, daß er unsere Arbeit

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