Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
buchstäblich sabotiert?«
» Melville geht es doch nur um Publicity«, sagt Clarke, » nicht unbedingt nur persönlich, sondern im Interesse gewisser Politiker, aber das wissen wir ja schon.«
» Ich versteh das alles nicht. Warum stellt sich Kell nicht mal auf die Hinterbeine und wirft ihn raus?«
» Ich bin sicher, daß er es schon versucht hat, Randolph. Aber irgend jemand weiter oben wird ihn gebremst haben.«
» Da fällt mir ein, der Bericht, den du mir neulich geschickt hast, der mit der Geschichte mit Melville und Steinhauer, wo hast du den eigentlich her?«
» Ebenfalls von Sergeant McIntyre, der mir die Melville-Akte gezeigt hat. Er sagt, der Bericht sei vor ungefähr zehn Jahren in einem Brief bei ihm angekommen, ohne Kommentar und ohne Absender, aber mit deutschen Briefmarken und deutschem Poststempel.«
» Das sieht ja so aus, als hätte Steinhauer ihn abgeschickt.«
» Möglich«, sagt Clarke, » sogar ziemlich wahrscheinlich. Steinhauer muß irgendwie die Geschichte mit McIntyres Anklage gegen Melville mitgekriegt haben, weiß der Kuckuck, wie. Ist ja alles geheimgehalten worden. Vielleicht wollte er ihm helfen, sich zu rehabilitieren?«
» Oder Melville eins auswischen? Aber warum?«
» Keine Ahnung. Ich kann’s mir auch nicht erklären. Aber das Dokument ist echt.«
» Und der Sergeant? Hat er deswegen irgend etwas unternommen?«
» Nein. Er meinte, mit seiner Entlassung habe er sich damals längst abgefunden, er habe die Geschichte nicht noch einmal aufrollen wollen. Hätte ihm höchstens noch mehr Ärger mit der Special Branch eingebracht.«
Clarke wirft einen Blick auf die Uhr über dem Eingang. » Ich muß los«, sagt er, » mein Zug geht gleich.«
Drummond ist noch mit Emmeline verabredet, ein paar Häuser weiter bei Gatti’s, ihrem alten Treffpunkt. Sie kommt eine gute Viertelstunde zu spät und küßt ihn ganz unbekümmert auf die Wange. » Entschuldige, Schatz, bin aufgehalten worden.«
» Macht nichts. Wer hat dich denn aufgehalten?«
» Ach, so ein hübscher junger Kerl, der mich auf der Straße angequatscht hat.«
Drummond starrt sie an. Emmeline lacht. » Nein, du Dummkopf! Für mich gibt es nur einen hübschen jungen Kerl, und der bist du.«
Sie schüttelt den Kopf, noch immer lachend. » Du hättest fragen sollen, was hat dich aufgehalten. Es waren diese Schuhe. Schau mal!«
Sie streckt einen Fuß unter dem Tisch hervor und zeigt ihm ein türkisfarbenes Lackstiefelchen. Die tadelnden Blicke der beiden Damen am Nachbartisch ignoriert sie.
» Gefallen sie dir? Hab sie unterwegs im Schaufenster gesehen und mußte sie einfach haben!«
Drummond stellt sich einen Schuhschrank mit Hunderten von Schuhen in allen Farben vor und grinst. » Ja, die gefallen mir. Wieviel Paar hast du denn schon?«
Sie seufzt. » Nur ein Dutzend. Viel zu wenig.«
Die Bedienung bringt ihren Kaffee und ein Stück Torte für Emmeline.
» Sag mal, Emmeline, was macht eigentlich Vivian? Weiß sie inzwischen das mit den unterschlagenen Briefen?«
» Nein, immer noch nicht. Gestern bin ich noch einmal zu ihr, aber sie war nicht da. Der Laden war zu, ihr Vater ist ja im Gefängnis. Ich hab ihr einen Zettel in den Türschlitz geworfen, hab aber bis jetzt nichts von ihr gehört, ich fange an, mir Sorgen zu machen.«
London, Holloway Prison, 22. Januar 1913, Mittwoch
Vivian sitzt auf der Pritsche in ihrer Zelle und zupft an dem grauen, kratzigen Leinenkleid herum. Der Stoff ist grob gewebt und steif. Das hab ich nun davon, daß ich diesen Mr. Morgan mit Soße bekleckert hab, denkt sie.
Am Morgen nach ihrer Festnahme war sie von einem Scotland-Yard-Inspector zu ihrer Attacke verhört worden. Morgan hat sich nicht blicken lassen. Sie hat alles zugegeben, es gab schließlich Zeugen in Hülle und Fülle, und ihre Tat mit dessen Nachstellungen gegen ihren Vater und sich begründet. Dann war ein zweiter Mann zum Verhör erschienen, der sich als Inspector Drake vorstellte und ihr eine Menge Fragen zu ihrem Vater und seinen angeblichen Verbindungen zu einem deutschen Geheimdienst stellte. Sie hatte darauf gesagt, daß sie das alles für einen völlig unsinnigen Verdacht halte, und weiter keine Antworten mehr gegeben. Auch zu den Fragen nach einem Deutschen namens Seiler hatte sie geschwiegen. Die letzten Fragen waren, ob sie sich an Anschlägen der Suffragetten beteiligt habe. Sie hatte aber kein Wort mehr gesagt, und schließlich hatten die Beamten das Verhör für beendet erklärt. Es hatte etwas mehr
Weitere Kostenlose Bücher