Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
ihn erreichen kannst?«
» Nein, nicht genau. Ich glaube, er ist jetzt in Berlin, in diesem Marineamt. Ich muß sofort dort anrufen!« In heller Aufregung springt sie auf. » Ich muß zur Post! Bitte, Emmy, komm mit!«
» Langsam«, sagt Emmeline, » setz dich mal wieder hin! Bereden wir das lieber in Ruhe.«
Sie klappt ihr Zigarettenetui auf und hält es Vivian hin. » Nimm dir eine! Nun mach schon! Das beruhigt.« Sie beugt sich vor und gibt ihr Feuer. » Überleg doch mal. Wenn du bei der deutschen Marine anrufst, und man beobachtet dich dabei oder hört gar zu, wäre das ja buchstäblich ein Beweis für Landesverrat. Und ein Telegramm kommt aus demselben Grund nicht in Frage.« Sie erklärt ihr, wie Randolph sich das gedacht hat. » Also, schreib ihm einen Brief, und gib ihn mir. Ich stecke ihn dann in ein offizielles Kuvert der Lady Couriers und adressiere es an dieses Marineamt, ohne seinen Namen, die werden ihn schon an ihn weiterleiten!« Es wird ein paar Tage dauern, bis er ihn hat, aber darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an.«
Vivian fällt Emmy um den Hals und heult los.
Berlin, Reichsmarineamt, 20. Februar 1913, Donnerstag
Kapitän Tapken kommt gleich zur Sache. » Neue Weisung aus der Admiralität, Seiler! Wir sollen unser Augenmerk jetzt besonders auf britische U-Boote richten. Achtundsechzig sollen die Tommies haben, aber davon sind angeblich nur etwa fuffzehn hochseetauglich. Was weiß man denn in der Flottille über englische Boote?«
Seiler überlegt einen Moment. » Nicht viel. Kaum etwas Konkretes. Sie sollen allerdings schon seit ein paar Jahren Dieselmotoren verwenden. Wir hinken da in der Entwicklung hinterher.«
» Was macht diese Dieselmotoren denn soviel besser als die, die wir jetzt haben?«
» Nun, auf diesem Gebiet bin ich kein Fachmann«, sagt Seiler zögernd, » aber sie sollen zuverlässiger und leiser laufen als unsere Ölmotoren. Mit denen haben wir ja viele Probleme, etwa die starke Rauchentwicklung, die häufigen, weit hörbaren Fehlzündungen und die Überbeanspruchung der Zylinder, die oft zu Kolbenrissen führt. Aber vor allen Dingen soll sich mit Dieselmotoren eine erheblich größere Reichweite der Boote erzielen lassen.«
» Hm. Soso. Wieviel U-Boote haben wir überhaupt zur Zeit?«
» Achtzehn, Herr Kapitän. U 1 bis U 4 taugen aber nur für die Ostsee und werden hauptsächlich von der U-Schule verwendet. Bleiben vierzehn.«
» Aha. Na, da gibt’s ja einiges aufzuholen.«
Seiler nickt stumm.
Tapken legt die Stirn in nachdenkliche Falten. » U-Boote sind neuerdings der letzte Schrei in der Admiralität. Die Herrschaften dort haben sich umbesonnen und wollen auf einmal alles über die der Engländer wissen. Der Wunsch der Herren Admirale ist uns natürlich Befehl.«
Er grinst, wird aber gleich wieder ernst. » Kurz und gut, in ein paar Tagen fahren Sie nach Kiel, Seiler. Wir bereiten eine Sonderunternehmung vor, in England. Richten Sie sich darauf ein, daß Sie etwa drei bis vier Wochen lang unterwegs sein werden.«
» Jawohl, Herr Kapitän.«
Tapken blättert in einer Akte. » Am 26. geht’s los. Zuerst nach Kiel, Steinhauer wird Sie begleiten. Der Flottillenchef wird Sie dort in die Einzelheiten der Unternehmung einweihen. Außer ihm weiß keiner davon, alles äußerst geheim. Am 1. März fahren Sie weiter nach Wilhelmshaven und melden sich dort beim Kommando der Marinestation West. Näheres dazu erfahren Sie ebenfalls in Kiel.«
» Jawohl, Herr Kapitän.«
Seiler schließt die Tür hinter sich und wandert langsam den düsteren Gang entlang. Ich soll also wieder nach England. Und noch immer kein Lebenszeichen von Vivian. Es wird wohl zu Ende sein. Trauer schnürt ihm die Kehle zu.
Noch immer wohnt er in der lieblos eingerichteten Dienstwohnung Königgrätzer Straße 70 am Halleschen Ufer. Er hat kaum die Tür hinter sich geschlossen, da hält er es hier nicht mehr aus. Er kramt in der Schublade nach Zigaretten, findet eine zerdrückte Schachtel und steckt sich mit bebenden Händen eine an. Dann zieht er den Mantel an, drückt sich die Mütze auf den Kopf und läuft auf die Straße hinunter.
Verflucht, denkt er, ich war schon fast drüber weg. Und weist sich zurecht: Stimmt nicht. Es ist kein einziger Tag vergangen, an dem ich nicht an sie gedacht habe. Sollte wenigstens mir gegenüber ehrlich sein. Sobald ich nach England komme, werde ich sie suchen, ganz egal, was sie mir auftragen. Ich muß mit ihr reden, so bald wie möglich.
Er läuft die
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