Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
gekommen sind!«
Helgoland, U-Boot-Hafen, 3. März 1913, Montag
» Vorleinen los!«
» Achterleinen los– bis auf Spring!«
Das Boot treibt ein paar Handbreit von der beleuchteten Pier ab.
» Steuerbord E-Motor ganz langsam zurück!«
Die straff gespannte Spring wird schlaff und beginnt durchzuhängen. Der Bug löst sich weiter von der Pier. Jetzt müßten die vorderen Tiefenruder klar sein. Ihre empfindlichen Flossen dürfen die Mauer nicht berühren.
» Steuerbordmotor stop! Backbord E-Motor langsam voraus! Spring loswerfen!«
Das Boot dreht den Bug in Richtung Ausfahrt. Dort blinken die Molenfeuer in die schwarze Nacht. Ein eisiger Wind pfeift um den Turm, Wellen klatschen an die Tauchtanks.
» E-Motoren stop! Umkuppeln auf Maschinen!«
Die Petroleummaschinen erwachen mit lautem Knallen zum Leben. Das Boot erzittert.
» Beide langsame Fahrt voraus!«
» Mittschiffs– recht so.«
Um zwei Uhr morgens passiert U 9 die Molenköpfe des Helgoländer Außenhafens und nimmt Kurs nach Süden, um die Insel zu umfahren. Der Kommandant befiehlt halbe Fahrt, das Schüttern der Maschinen wird schneller. Das Boot dreht allmählich nach West, dann weiter nach Nordwest, direkt in den Wind. Die See wird rauher, Schaumkämme leuchten in der Dunkelheit. Steuerbord querab flammt alle acht Sekunden das weiße Dreiblitzfeuer des Helgoländer Leuchtturms auf.
Weddigen befiehlt, die F.-T.-Masten auf Vordeck und Turm abzutakeln, und Seiler meldet sich ab, um Platz zu machen. Er steigt durchs Turmluk hinunter ins Boot, in den dicken Petroleumdunst, in den wummernden Lärm der Maschinen.
Er ist todmüde. Nach der Woche bei der Flottille in Kiel war er gestern abend in Wilhelmshaven angekommen. Nach seiner Meldung hatte er eine Kammer in der Matrosenkaserne bekommen, aber er hat die ganze Nacht kein Auge zumachen können. Einmal war da der Lärm von der Werft, dann hatte es gegen zwei Uhr morgens einen Probealarm gegeben, der alle in helle Aufregung versetzt hat. Hornsignale, Trommelgerassel, Türen knallten, Stiefel trappelten durch die Gänge, lautes Gebrüll auf dem Appellplatz. Das ging ihn nichts an, aber an Schlaf war dabei nicht zu denken. Erst gegen vier Uhr war es wieder ruhig geworden, aber dann hatten ihn die Gedanken an Vivian nicht zur Ruhe kommen lassen. Um fünf Uhr schrillten die Pfeifen der Unteroffiziere durch die Korridore: »Reise, Reise! Auf, Matrosen!« Da hat er den Versuch, doch noch einzuschlafen, aufgegeben.
Mittags hatte er sich, wie angewiesen, auf einem langsamen Tonnenleger eingeschifft, der ihn Stunden später auf Helgoland an Land gesetzt hat. Es war bereits dunkel geworden, als er sich im noch unfertigen U-Boot-Hafen auf U 9 an Bord gemeldet hat.
Der Kommandant ist immer noch Kapitänleutnant Otto Weddigen. Sein Erster Offizier ist jetzt Leutnant zur See Johannes Spieß, ein magerer junger Mann mit melancholischem Gesicht und tief in den Höhlen liegenden Augen. Der hat ihn mit einer knappen Meldung ins Bild gesetzt: » Boot ist seeklar, Herr Oberleutnant. Petroleum, Wasser und Preßluft sind aufgefüllt, Akkumulatoren geladen. Sechs Übungstorpedos sind an Bord, je zwei in Bug- und Heckrohren, zwei in Reserve. Zündpistolen werden nicht mitgenommen, das Maschinengewehr auch nicht, Befehl des Kommandanten. Proviant wird noch verstaut. Auslaufen heute nacht um ein Uhr dreißig bei Hochwasser.«
Anschließend hatte es gerade noch für ein karges Abendessen und zwei Stunden Schlaf auf dem Flottillen-Wohnschiff Sophie gereicht.
Im Boot hat man ihm als Schlafplatz die schmale Koje des Wachoffiziers gegenüber der Kommandantenkammer zugewiesen. Im trüben Glühlampenlicht zieht er Stiefel und Jacke aus, schwankend vor Müdigkeit, und legt sich hin. Zieht die klamme, blau-weiß karierte Bettdecke über sich und schließt die Augen. Gleich reißt er sie wieder auf, als ihm ein dicker Tropfen auf die Stirn klatscht. Weil es im Boot wärmer ist als draußen, schlägt sich überall Feuchtigkeit nieder. Tropfen reihen sich an den Rohren und Leitungen über ihm und rieseln über den hellgrauen Ölfarbenanstrich der gebogenen Stahlwand. Seiler langt nach der Lederjacke und breitet sie über der Decke aus, zieht sie sich bis über den Mund. Jetzt drängen sich zwei Mann durch den engen Gang, ohne ihre laute Unterhaltung zu dämpfen. » Flottenmanöver, das ist doch Scheiße! Den ganzen Tag unter Wasser, in dem Mief!«
» Und das ’ne Woche lang. Na, wenigstens hammwa die Schangs, daß uns so’n
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