Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
das Blatt weg und beginnt einen Brief an seine Eltern in Bremen. Er schreibt, daß er die nächsten fünf Monate bei der U-Flottille verbringen werde. Ende September soll seine Ausbildung beendet sein, dann erwarte ihn ein neues Kommando, vermutlich als Wachoffizier auf einem der U-Boote. Ein kurzer Brief nur, er faltet den Bogen zusammen, schiebt ihn ins Kuvert und verschließt es.
Vivian schreibt er jede Woche und adressiert die Briefe an ihre Freundin Emmeline. Immer wenn er an sie denkt, verzweifelt er fast ob ihrer langen Trennung. Am schlimmsten ist das ständige Schwanken zwischen der Hoffnung, daß sie ihn auch liebt und auf ihn warten wird, und der nagenden Furcht, ihre Liebe werde eines Tages erloschen sein, ohne sich erfüllt zu haben. Aber sie antwortet auf seine Briefe, wenn auch immer gut zwei Wochen vergehen, bis sie ihn erreichen, denn seine Post braucht fünf bis sechs Tage nach London und ihre umgekehrt natürlich auch.
Nur im Dienst und während der kurzen Ausfahrten mit dem Boot gelingt es ihm, eine Weile nicht an sie zu denken, aber er fürchtet die einsamen Abende und noch mehr die Nächte, wenn er stundenlang wach liegt.
Am Abend findet eine kleine Feier in der Offiziersmesse der Vulkan statt. Sein Kommandant, Otto Weddigen, ist zum Kapitänleutnant befördert worden. Alle Kommandanten finden sich ein, ebenso alle U-Boot-Offiziere, und Korvettenkapitän Michaelis hält eine kleine Ansprache. Dann knallen die Champagnerkorken.
Der Chef verabschiedet sich bald, und nach und nach verschwinden auch die meisten Kommandanten und Wachoffiziere. Schließlich sind außer Seiler und Weddigen nur Valentiner und ein junger Leutnant von U 7 da. Auf dem weißgedeckten Tisch ein Durcheinander von Sektflaschen und Gläsern, Kaffeetassen und Aschenbechern, die Luft ist dick vom Zigarrenqualm.
Zwischen Weddigen und Valentiner hat sich ein Disput über die Geringschätzung der jungen U-Boot-Waffe entsponnen.
Seiler weiß, daß die kleinen Boote von der Marineführung kaum ernstgenommen werden, alle Mittel fließen in die Hochseeflotte. Sie wirken unwichtig, verglichen mit den gepanzerten Riesen der Schlachtflotte oder den flinken Kreuzern und Torpedobooten.
Freilich, unsichtbar unter Wasser an den Feind heranzukommen scheint ein großer Vorteil zu sein. Doch die Boote gelten als wenig seetüchtig, sind langsam und unter Wasser noch viel langsamer, und der kleine, kaum mannshohe Turm bietet nur einen bescheidenen Sichtkreis. Die Admiralität betrachtet sie als Defensivwaffe, im Kriegsfall sollen sie Sperrketten vor den Häfen bilden und ihre Torpedos auf feindliche Schiffe abschießen, die versuchen, die Einfahrten zu forcieren.
Beide, Weddigen wie Valentiner, sind überzeugt, daß die Boote weit mehr zu leisten vermögen. Weddigen ist sicher, er käme mit seinem Boot bis hinauf zu den Orkney Inseln, hoch im Norden von Schottland, und wieder zurück. Selbst für eine Umrundung der Britischen Insel würde der Brennstoff reichen. Für die Besatzung wäre eine so lange Reise in dem engen Boot allerdings eine ziemliche Tortur.
» Ich könnte zum Beispiel ungesehen in einen der Stützpunkte der Royal Navy eindringen«, überlegt Weddigen, » sagen wir mal, in den Firth of Forth. Das würde doch die Eignung der Boote für offensive Unternehmungen beweisen, nicht wahr? Vielleicht könnte das einen großzügigeren Ausbau der U-Boot-Waffe bewirken.«
» Würde die Flottenleitung niemals erlauben«, entgegnet Valentiner, » was, wenn die Tommies Sie entdecken? Im schlimmsten Fall könnte das zum Krieg führen.« Er angelt das Feuerzeug vom Tisch und steckt seine ausgegangene Zigarre wieder an, nimmt einen tiefen Zug und bläst den Rauch stoßweise gegen die Decke. » Trotzdem«, sagt er dann, » keine schlechte Idee.«
Weddigen dreht sein leeres Sektglas am Stiel hin und her und blickt mit gerunzelter Stirn hinein. » So ganz auf eigene Faust geht’s natürlich nicht.«
» Ja«, meint Valentiner, » da bräuchten wir den Segen von einem unserer Großmuftis. Einer, der so denkt wie der alte Schleinitz, Gott hab ihn selig.«
Seiler kennt den Namen. Vizeadmiral von Schleinitz war einer der wenigen, die sich für eine offensive Verwendung der U-Boote aussprachen und die Konstruktion großer U-Boote verlangten. Boote mit einem Fahrbereich von sechstausend Seemeilen. Diese Boote sollten, falls es zu einem Krieg mit England käme, rund um die Insel Handelsschiffe versenken. Dies würde die Briten weit schlimmer
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