Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Seyfried
Vom Netzwerk:
wäre er blamiert bis auf die Knochen. Er wird sich auf sein Glück verlassen müssen.
    Der Zug von Hamburg verspätet sich. Er holt seine Uhr aus der Westentasche, wirft einen Blick darauf und steckt sie wieder ein. In den letzten Monaten hat sich einiges getan. Zum 1. April hat er eine kleine Wohnung in Kiel angemietet. Bis dahin hat er in dem häßlich möblierten Zimmer in Gaarden gewohnt, das ihm immerhin das Wohnschiff der Flottille als Unterkunft ersparte. Mitte März aber hat ihm ein glücklicher Zufall eine Dachwohnung in Düsternbrook zugespielt, die bezahlbar ist, zudem erhält er vom Vater einen Zuschuß zu seinem Leutnantsgehalt. Die Wohnung hat zwei Zimmer und sogar eine winzige Badekammer, ein seltener Luxus. Sie liegt nicht in einem Mietshaus, sondern in einer alten, dreistöckigen Villa am Niemannsweg, direkt am Düsternbrooker Gehölz. Von dort ist es nur ein zehnminütiger Spaziergang zum Strandweg an der Förde. Besser hätte er es nicht treffen können.
    Drüben in Heikendorf hat er für einen Monat einen sündhaft teuren Liegeplatz für seine kleine Jolle gemietet. Das Boot ist jetzt tipptopp in Schuß. Er will Vivian und ihren Vater zu einem Segelausflug einladen, vielleicht nach Laboe hinauf, dort dann ein kleiner Waldspaziergang mit anschließendem Mittagessen im Kaiserhof.
    Und er hat das Autofahren gelernt, auf einem der beiden von der Flottille angeschafften Adler-Wagen, ein neuer Phaeton mit 28 PS . Nach der Prüfung hat er von der Polizeibehörde die Ermächtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen erhalten, die im Reich erst im Januar dieses Jahres eingeführt worden war. Zu einem eigenen Automobil reichen seine Finanzen natürlich bei weitem nicht, so ein Adler kostet 4000 Mark, mehr als sein Leutnantsgehalt für zwei Jahre.
    Jetzt klapptder Ankunftflügel vom Zuganzeigemast für Gleis 4 herunter: Hamburg. Er tritt an die Bahnsteigkante und späht das Gleis entlang. Dort dampft der Zug heran, schlingert durch die Weichenstraßen, findet sein Gleis und fährt mit grellem Warnpfiff in die Halle ein. Und da sind sie. Vivian im türkisfarbenen Reisekostüm, mit orangelackiertem Strohhut, neben ihr Petermann in dunkelblauem Jackett, grauer Hose, eine weiße Schiffermütze auf dem Kopf.
    Seiler muß den Impuls niederkämpfen, auf Vivian zuzulaufen und sie in die Arme zu schließen. Statt dessen geht er ihnen entgegen, gefolgt von den beiden Matrosen.
    Ihres Vaters wegen hat er sich vorgenommen, sie freundlich, aber zugleich förmlich und würdevoll zu empfangen, wie es von einem Seeoffizier erwartet wird. Doch als sie auf ihn zukommt, lächelnd, mit leuchtenden Augen, verläßt ihn alle steife Würde, sein Mund verzieht sich ebenfalls zu einem Lächeln, und bevor er vor Freude alle Beherrschung verliert und grinst wie ein Honigkuchenpferd, drückt er ihr schnell sein Bouquet aus schlichten Kornblumen mit einer weißen Rose in der Mitte in die Hand. Schon hat er sein Gesicht wieder unter Kontrolle und verbeugt sich militärisch knapp vor ihrem Vater. » Herzlich willkommen in Kiel, Herr Peterman! Ich freue mich sehr, Sie und Ihr Fräulein Tochter hier begrüßen zu dürfen!«
    Peterman reicht ihm die Hand und dankt ihm, sichtlich beeindruckt von Seilers Uniform und der Matroseneskorte. Endlich kann er sich Vivian zuwenden. Er erwartet, daß sie ihm die Hand zum Handkuß reicht, aber sie nimmt einfach seinen Arm, strahlt ihn an und sagt: » Danke für die Blumen! Hallo, Adrian, wie geht’s?«
    Aus dem Packwagen wird bereits das Gepäck auf Karren geladen. Die Matrosen schleppen sich ab mit zwei großen Seekoffern, zwei Handkoffern und zwei runden Hutschachteln. Dann geht es mit der Linie 3 zu den Seegartenbrücken, wo er die Matrosen entlassen wird und sie eine Motorboottaxe hinüber nach Heikendorf nehmen werden.
    Kiel, Hauptbahnhof, 19. Juni 1912, Mittwoch
    Drummond steigt aus dem Zug von Hamburg und staunt über die Menschenmenge, die den ganzen Bahnhof überschwemmt. Melville trägt einen grauen Anzug mit Filzhut, und er, der jüngere, der ihn fast um einen Kopf überragt, könnte mit seiner blauen Jacke und der blauen Schiffermütze ein Handelsschiffskapitän sein. Nebeneinander wirken sie wahrscheinlich wie Vater und Sohn. Er späht nach Detektiven aus, aber in dem Gewimmel ist das so gut wie sinnlos. Bestimmt rechnet die deutsche Geheimpolizei während der Kieler Woche mit Spionen.
    In der Mitte des Bahnsteigs bleiben sie stehen und schauen zu, wie Peterman und seine Tochter von einem

Weitere Kostenlose Bücher