Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
funkelnde Förde, und das Schwatzen und Plaudern der Gäste liefert die Begleitmusik dazu.
» Sie sind in Southampton aufgewachsen, nicht wahr, Herr Seiler?«
» Ja, bis ich vierzehn war. Danach sind wir nach Bremen zurückgekehrt. Ich bin jedoch in Deutschland geboren.«
» Genau wie ich. Aber ich fühle mich längst als Brite.«
Peterman winkt einer Kellnerin zu und bestellt noch zwei Bier.
» Glauben Sie, daß es Krieg zwischen unseren Ländern geben wird?«
» Ich hoffe nicht. Zur Zeit sehen die Beziehungen zwischen England und Deutschland eigentlich recht gut aus. Oder entspannter, sollte ich vielleicht sagen.«
Peterman bläst einen Rauchkringel in die Luft und schaut zu, wie er sich in eine Acht verwandelt und davonschwebt.
» Ja. Auf der politischen Ebene schon. Aber diese dumme Deutschenpanik bei uns macht mir Sorgen. Lord Northcliffes Presse schürt sie nach Kräften und streicht dafür auch noch riesige Gewinne ein.«
» Das ist hier leider ganz ähnlich«, erwidert Seiler. Das Daily Telegraph -Interview mit dem Kaiser im Oktober 1908 fällt ihm dabei ein. Wilhelm hatte darin unter anderem gesagt, daß er, im Gegensatz zur Mehrheit der Deutschen, ein Freund Englands sei. Die Veröffentlichung hatte in beiden Ländern für erhebliche Verstimmung gesorgt.
» Die nationale Presse wiegelt auch hier das Volk gegen England auf. Von Einkreisungspolitik ist da die Rede, vom Neid Englands auf unsere wirtschaftliche Stärke und dergleichen mehr.«
Die Kellnerin bringt das Bier, und sie stoßen miteinander an. » Auf Frieden und Freundschaft zwischen unseren Ländern!« sagt Peterman, und darauf trinken sie.
» Wissen Sie«, fährt er nach einer Weile fort, » hinter der ganzen Pressehetze stecken natürlich politische und wirtschaftliche Interessen. Da geht es um millionenschwere Aufträge für die Rüstungsindustrie, für die Werften und alles, was damit zusammenhängt, von den Stahlkonzernen bis runter zum Bergbau. Die gewaltige Aufrüstung unserer Navy wäre nicht möglich, wenn man dem Volk nicht ständig Angst vor der deutschen Flotte machen würde, und ich schätze, das ist bei Ihnen nicht viel anders.«
Seiler nickt zustimmend. » Das sehe ich genauso. Wir haben uns in ein Wettrüsten verstrickt, und das verspricht für die Zukunft nichts Gutes, wenn sich nicht bald die Vernunft durchsetzt.«
Seiler glaubt alles zu diesem Thema zu wissen, denn es steht bei fast allen Gesprächen unter den Offizierskameraden im Mittelpunkt. Dieses sogenannte Wettrüsten zwischen der kaiserlichen Marine und der Royal Navy hatte ja eigentlich erst nach 1906 begonnen, als mit H. M. S. Dreadnought das erste moderne Großkampfschiff vom Stapel lief. Vorher konnte davon keine Rede sein. Das Deutsche Reich hätte sich noch so anstrengen können, der Vorsprung der Royal Navy mit ihrer riesigen Flotte und ihrer Jahrhunderte umfassenden Erfahrung wäre selbst in fünfzig Jahren nicht aufzuholen gewesen. Das wußte man in der Marineführung selbstverständlich.
Aber mit dem Erscheinen der Dreadnought, der Name ließ sich mit »Fürchtenichts« übersetzen, änderte sich alles. Es war das erste Schlachtschiff, das ausschließlich mit schwersten Geschützen von großem Kaliber ausgerüstet war. Mit einem Schlag machte es alle bisher gebauten Schlachtschiffe, die ein Durcheinander von schwerer, mittlerer und leichter Artillerie trugen, wertlos.
Peterman nickt dazu, und weil er ihn wach und interessiert anblickt, fährt Seiler fort: » Der hauptsächliche Grund dafür liegt darin, daß es beim Feuern mit verschiedenen Kalibern unmöglich ist, die Einschläge um das Ziel auseinanderzuhalten. Dies ist aber unbedingt notwendig, damit die Artillerieoffiziere die Lage ihrer Salven korrigieren können, denn die rasante Entwicklung der Schiffsartillerie ermöglicht inzwischen Gefechtsentfernungen bis zu 19 000 Metern. Das moderne Großkampfschiff schießt mit schwersten Geschützen nur eines einzigen Kalibers. Die turmhohen Fontänen der Einschläge im Wasser lassen selbst auf größte Entfernung gut erkennen, ob sie vor dem Ziel liegen oder dahinter, und entsprechend kann man die Einstellungen korrigieren, bis die Schüsse im Ziel liegen.
Die Dreadnought wäre also in der Lage, mit ihren zehn weittragenden 30,5-Zentimeter-Geschützen alle vor ihr gebauten Schlachtschiffe zu zerschießen, bevor diese nahe genug kämen, um ihre wenigen schweren und zahlreichen mittleren Kanonen einsetzen zu können. Seit es die Dreadnought gibt,
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