Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
später waren Peterman und Vivian auf ihre Zimmer gegangen. Es hatte nicht lange gedauert, da waren sie zurückgekommen, Peterman in Reisekleidung mit einem großen Koffer, und mit Seiler zur Dampferanlegestelle hinuntergegangen. Als das Schiff angelegt hatte, waren sie ihnen an Bord gefolgt und dann hier im Bahnhof gelandet.
Peterman hat am Schalter eine Fahrkarte gekauft, und Drummond, der in der Schlange hinter ihm stand, hat gehört, daß er nach Leipzig wolle und am 1. Juli wieder zurück nach Kiel. Melville hat sich auf diese Information hin ebenfalls eine Rückfahrkarte nach Leipzig gekauft und sich geärgert, daß keine Zeit bleibt, seinen Koffer aus Rendsburg zu holen.
Jetzt schreitet ein blau uniformierter Bahnbeamter am Zug entlang und ruft laut: » Alles einsteigen! Der Zug fährt ab!« Peterman steigt ein, Seiler reicht ihm den Koffer nach. Melville, zwei Wagen weiter, steht schon auf dem Trittbrett. Der Eisenbahner knallt eine Tür nach der anderen zu. Dann bläst er in seine Trillerpfeife und schwenkt eine Kelle. Die Lokomotive antwortet mit einem Warnpfiff, und der Beamte schwingt sich in den letzten Waggon. Der Zug setzt sich in Bewegung.
Drummond atmet auf. Jetzt ist er Melville für ein paar Tage los! Der Mann ist schlecht für seine Nerven. Gestern wäre er fast auf ihn losgegangen, als Melville wieder mal über Peterman herzog. Am Schluß hatte er gesagt: » Sein niedliches Töchterchen, das verlogene Biest, knöpfe ich mir bei nächster Gelegenheit auch noch vor, und dann nehme ich sie zuallererst einmal so richtig ran!« Dabei hatte er ein so schmutziges Grinsen aufgesetzt, daß Drummond nicht im Zweifel bleiben konnte, wie er das meinte.
Er zieht sich zum Querbahnsteig zurück und wartet auf Seiler und Vivian, während die Leute, die hier Bekannte verabschiedet haben, an ihm vorbeiströmen. Die beiden machen sich endlich auch auf in Richtung Ausgang, als letzte, bis auf einen einzelnen Mann ohne Gepäck. Es sieht aus, als würde der ihnen folgen.
Drummond faßt ihn genauer ins Auge, als er an ihm vorbeigeht. Der Mann trägt einen dunklen Spitzbart, scheint so um die Mitte bis Ende vierzig, nicht groß, aber stämmig. Gelbe Weste und weißes Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln, das Jackett über der Schulter, heller Strohhut. Vage erinnert er ihn an den Polizeibeamten in Yachtkleidung, aber dieser trug nur einen Schnurrbart. Drummond läßt ihn vorbei und folgt ihm seinerseits. Könnte es sein, daß es sich um einen deutschen Agenten handelt? Hat Seiler etwa Mißtrauen erregt wegen des Besuchs aus England? Oder ist das einer von Cummings Leuten aus der Foreign Section? Oder alles nur ein Zufall?
Vorsichtig hält Drummond so viel Abstand, daß er Seiler und seine Begleiterin gerade noch sehen kann. Er schaut ein paarmal über die Schulter, ob auch ihm jemand folgt, aber hier sind zu viele Leute unterwegs.
Seiler und Vivian bummeln in der Stadt herum. Sie gehen in ein Café, verbringen ein paar Stunden im Kunstmuseum am Düsternbrooker Weg, spazieren danach hinauf zum Yachtclub und bewundern die Segelboote. Gegen acht Uhr gehen sie ins Bellevue und dinieren dort. Da hinein kann er ihnen nicht folgen, der Laden ist zu teuer, und er ist nicht passend angezogen. Am letzten Kiosk, der an der Promenade noch geöffnet hat, kauft er sich Zigaretten und ein Bier. Damit setzt er sich auf die Ufermauer vor dem Restaurant und wartet mit knurrendem Magen.
Kiel, Bellevue, 28. Juni 1912, Freitag
Vivian fühlt sich so leicht und beschwingt wie schon lange nicht mehr. Sie ist mit Adrian allein, Vater weiß und billigt es. Und der Mann, der sie zum Dinner ausführt, und zwar ins Bellevue, das beste Restaurant der Stadt, hat sich heute schon sehr aufgeschlossen gegenüber der Kunst gezeigt. Nur dank der Vermittlung des Flottillenchefs ist es Adrian gelungen, noch einen Tisch für sie zwei hier draußen zu bekommen, sagt er jetzt zu ihr, da sie den Garten betreten.
Girlanden aus Papierlaternen tauchen die Terrasse in warmes, orangefarbenes Licht, Kerzen in Gläsern flackern auf den Tischen. Dezente Unterhaltung um sie herum, das Klirren und Klappern der Bestecke. Ein Sektkorken knallt, ein perlendes Frauenlachen folgt.
Sie sucht sich etwas Leichtes aus und nimmt nur zwei der angebotenen zehn Gänge, Spargelsalat mit Champagner-Safran-Vinaigrette, dazu einen Rheinwein, und zum Dessert Pfirsiche in Chartreuse-Gelee. Adrian hat sich nach einigem Stirnrunzeln für das gebratene Lendensteak mit Pommes Château
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