Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
Bug nach Backbord, bis er frei vom Ankergrund zeigt. Dann nimmt das mächtige Schiff allmählich Fahrt auf. Die Besatzung mannt binnen Minuten die Seite in Paradeaufstellung, das ganze Schiff entlang, Hunderte von Männern. Von der Brücke herab grüßen die Offiziere in Dunkelblau, und auf dem achteren Geschützturm beginnt die Bordkapelle zu spielen, irgendeinen Marsch, der Wind trägt nur Fetzen der Musik herüber. Majestätisch langsam gleitet der Dreadnought in Richtung Holtenauer Schleuse, umschwärmt von Barkassen und Motorbooten mit winkenden Menschen.
Drummond steht neben ein paar Matrosen an der Ufermauer und schaut mit ihnen dem Schiff nach. Die Männer bedauern ihre Kameraden, die das schöne Kiel verlassen müssen, und unterhalten sich darüber, daß der Panzerkreuzer zur Maschinenüberholung nach Wilhelmshaven geht. So viel versteht er und merkt es sich für eine spätere Notiz.
Höhepunkt des Tages ist die Jubiläumsregatta des Kaiserlichen Yachtklubs. Kaiser Wilhelm geht mit einer neuen Yacht ins Rennen, der erst im Frühjahr in Dienst gestellten Meteor V. Als erste segelt allerdings die Germania von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach durchs Ziel, die Kaiseryacht erreicht in der Schonerklasse nur den zweiten Platz.
Da die Regatta auf der Außenförde und auf dem Stollergrund stattfindet, kann Drummond nicht zuschauen, außerdem muß er ja mit Melville Seiler und dessen Besucher beobachten. Die aber unternehmen nichts außer spazierenzugehen, Seiler und Vivian Arm in Arm.
Immerhin sieht er das Zeppelin-Luftschiff Viktoria-Luise, das die Regatta begleitet hat. Die riesige dunkelgelbe Zigarre kreuzt nach dem Ende der Veranstaltung mit brummenden Motoren über der smaragdgrünen Förde, kaum höher als fünfzig Meter, und überall recken die Leute die Hälse und zeigen oder winken mit Fähnchen und Taschentüchern.
Heikendorf, 25. Juni 1912, Dienstag
Gestern hat Drummond zusammen mit den Observierten und vielen tausend Schaulustigen beobachtet, wie der Große Kreuzer S. M. S . Moltke von einer Amerikareise zurückgekehrt ist. Er ist noch ein Stück größer als die Von der Tann und trägt fünf Doppeltürme. Er hat auf dem Platz festgemacht, auf dem zuvor die Von der Tann gelegen hat.
Ebenfalls gestern hat die angebliche Spionagefahrt des achtzigjährigen Admirals i. R. Lord Brassey Aufsehen erregt. Soweit Drummond das mit seinem mangelhaften Deutsch verstanden hat, ist der würdige Gentleman aus der viktorianischen Ära ein treuer und regelmäßiger Besucher der Kieler Regatten. Wie stets traf er mit seiner Yacht ein, dem alten Dreimastschoner Sunbeam, mit dem er die Welt umsegelt hat, und wie immer begleiteten ihn einige vornehme Damen und Herren. Anscheinend wurde die Gesellschaft von manchen als Spione verdächtigt und mißtrauisch beobachtet. Der alte Lord zeigte sich noch sehr rüstig und ruderte hin und wieder mit dem kleinen Beiboot herum. Dabei ist er anscheinend in die Nähe der Werfteinfahrt geraten, hinter der die U-Boote versteckt liegen. Er wurde festgehalten und ausgefragt. Beinahe wäre er verhaftet worden, aber ein deutscher Admiral hat eingegriffen und für seine Freilassung gesorgt.
Auch dieser Tag bringt nichts weiter als bummeln, essen, spazierengehen, Kaffee trinken und aufs Wasser schauen. Drummond hat nichts dagegen. Um vier Uhr am Nachmittag fährt Peterman dann nebst Tochter zum Ostufer zurück, heimlich begleitet von Melville. Drummond folgt Seiler, der mit der Straßenbahn zum Bahnhof fährt und von dort am Ende des Handelshafens zu Fuß in Richtung Werften marschiert. Hinter ihm her geht Drummond eine lange Straße entlang, zur Linken immer die hohe Mauer des Werftgeländes, rechts rußgeschwärzte Mietshäuser. Endlich biegt Seiler in eine kurze Gasse ein, die an einem weiten Gittertor endet. Dahinter riesige Werkshallen, über ihre Dächer ragen Schornsteine und die Gitterarme großer Kräne. Das Tor wird von Matrosenposten unter Gewehr bewacht. Drummond bleibt stehen, und Seiler verschwindet aus seinem Gesichtsfeld. Die Posten starren ihn an, daher macht er kehrt, um zurück nach Kiel zu gehen. Er kann hier nicht herumstehen und warten, bis Seiler wieder herauskommt. Das wäre zu auffällig. Drummond hat das Ende der Gasse noch nicht erreicht, als ein Mann auf ihn zukommt, ein stämmiger, schnurrbärtiger Mensch in Yachtkleidung, mit weißen Hosen, blauer Jacke und weißer Schiffermütze. Der Mann tritt ihm in den Weg, zeigt eine blinkende Messingmarke und sagt: »
Weitere Kostenlose Bücher