Verdeckt
ausgetreten und hatte sich in Jacks Oberschenkel gebohrt. Den unsäglichen Schmerz in seinem Bein spürte er erst, als er bereits neben der verletzten Frau kniete. Hart setzte er sich auf den Boden, betrachtete seine bluttriefende Hose und fragte sich, warum er Schmerzen spürte, wo doch Rosalinda angeschossen worden war.
Jack umklammerte seinen Drink mit beiden Händen. Er saß immer noch an Alex’ Tisch. Angestrengt versuchte er, den Gesichtsausdruck der sterbenden Frau aus seinen Gedanken zu wischen. An diesem Tag hatte er versagt und Rosalinda hatte den Preis dafür bezahlt.
Die anschließende Untersuchung ergab, dass ihn und Cal keine Schuld am Ausgang des Streits traf. Die Situation war einfach viel zu schnell aus dem Ruder gelaufen. Javier hockte jetzt im Knast, seine Tochter lebte bei ihrer Großmutter. Ihre ungeborene kleine Schwester hatte es nicht geschafft.
Jack hätte viel schneller handeln müssen.
Alex schenkte sich nach und ließ sein Glas in einem freudlosen Zuprosten gegen Jacks Glas klirren.
»Ich hab was.«
Mason blicke von den Tatortfotos aus Richard Bucks Haus auf. Ray sah aus, als hätte er den Lotto-Jackpot geknackt. Zweimal hintereinander. Mason hatte erfolglos versucht herauszufinden, wo die Angelhaken herkamen. Anscheinend hatte Buck die Köder fürs Fliegenfischen selbst hergestellt.
»Was gibt’s?« Mason war müde und genervt. Pochende Schmerzen hinter der Stirn sprengten ihm fast den Schädel.
Rays Augen glühten. »Eine religiöse Kommune, eine Art Sekte. Linda DeCosta lebt mit denen irgendwo am Arsch der Welt. Ganz im Südosten von Oregon. Ziemlich fanatische Truppe. Jeder Mann hat fünf Frauen und mindestens zwanzig Kinder.«
»Ja!« Mason stieß die Faust in die Luft. Die Kopfschmerzen waren wie weggeblasen.
»Und ihr Sohn?«
Ray schüttelte den Kopf. »Über seinen Bruder habe ich nichts. Und die Mutter habe ich auch nur mithilfe der zornigen Exfrau des Mannes gefunden, bei dem Linda jetzt lebt. Die Exfrau arbeitet dort unten mit der Polizei zusammen. Die sammeln Material für die Strafverfolgung. Der Kerl arrangiert Ehen. Und soweit ich verstanden habe, sind einige der Bräute erst vierzehn.« Ray rümpfte angewidert die Nase.
»Das ist total krank.« Der Fall wurde mit jedem neuen Detail, das sie entdeckten, widerwärtiger. »Wer zum Teufel heiratet gleichzeitig eine Vierzehnjährige und eine Mittfünfzigerin wie Linda DeCosta?«
»Sie ist nicht verheiratet. Sie arbeitet dort als Haushälterin oder Kindermädchen. Selbst fanatische Polygamisten heiraten nicht wahllos.«
»Wir müssen unbedingt hinfahren.« Mason fühlte sich plötzlich wieder frisch. Endlich hatten sie eine Spur, die sie vielleicht weiterbrachte. Er stand auf, schob die Fotos auf einen Stapel zusammen und knallte die Aktenordner zu.
»Ich habe Brody einen kleinen Hinweis gegeben.«
Mason erstarrte mitten in einer Bewegung. »Scheiße, was hast du grade gesagt?« Wie kam Lusco bloß auf diese abstruse Idee? »Hat deine Mutter dich zu früh abgestillt, Ray? Stimmt irgendwas mit deinen grauen Zellen nicht?«
»Brody ist in Mount Junction, nicht allzu weit von der Kommune entfernt. Dieser Reporter ist ein helles Kerlchen. Außerdem hat er mehr Kontakte als J. Edgar Hoover. Ich dachte, er könnte schon mal ein bisschen recherchieren, damit wir keine Zeit verschwenden, falls die Spur wieder mal in eine Sackgasse führt.« Rayhielt Masons aufgebrachtem Blick stand. Sein Partner sollte bloß die Luft anhalten. »Unser Killer ist hier in Portland. Nicht irgendwo in einem abgelegenen Kaff im Südosten.«
Schweigend dachte Mason über Rays Vorgehen nach. In der Sache hatte er recht. Aber nicht mit seinen Methoden. So etwas konnte sie beide den Job kosten. »Kein Wort zu irgendjemandem. Finde eine Polizeiwache in der Nähe. Die sollen sich mal ganz offiziell mit der Frau befassen.«
»Schon passiert. Die nächstgelegene Dienststelle ist hundert Meilen von der Kommune entfernt. Die Cops dort suchen gerade nach ein paar vermissten Jägern. Das hat Vorrang vor einer Zeugenbefragung. Der Sheriff von Malheur County meinte, sie würden versuchen, sich in ein oder zwei Tagen darum zu kümmern. Die Kommune liegt einfach zu weit draußen und dem Sheriff fehlt das Personal.« Ray zog eine bedauernde Grimasse. »Deshalb kam ich ja erst auf die Idee, Brody anzurufen.«
»Er soll sich alle zwei Stunden bei uns melden.«
»Ich habe gesagt stündlich. Er braucht keine Extraaufforderung, keinen Blödsinn zu machen.
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