Verdeckt
Brody steckt emotional tiefer drin als jeder andere. Er ist halb wahnsinnig vor Sorge um Dr. Campbell. Eigentlich bin ich sogar froh, dass er grade aus der Stadt und aus der Schusslinie raus ist.«
Mason teilte Rays Meinung nur bedingt. Ihm fiel auf Anhieb ein Mann ein, der emotional noch tiefer drinsteckte.
Jack schloss die Tür des Zimmers, das Alex ihm zur Verfügung gestellt hatte, und stolperte in das angrenzende Bad. Ein toller Beschützer war er. Betrank sich mit einem Kumpel, während Cals Killer Jagd auf die hilflose Frau im Zimmer nebenan machte. Wobei er Lacey im Grunde gar nicht als so hilflos empfand. Sie war zäh und klug. Er wusste, dass sie Pfefferspray in der Tasche hatte und ihre Umgebung aufmerksam im Auge behielt.
An keinem anderen Ort der Welt würde er sich derart gehen lassen. Doch in Alex’ Haus fühlte er sich sicher. Sein Freund gab ihm Rückendeckung. Ein- oder zweimal, wenn die Ereignisse ausder Vergangenheit ihn überrollt hatten, hatte Alex ihn vom Boden aufgekratzt, wieder auf die Beine gestellt und an seine Verantwortung sich selbst und anderen gegenüber erinnert. Seit dem fatalen Schuss damals war Alex’ Haus für Jack so etwas wie eine Oase geworden, in die er sich hin und wieder flüchtete. Lacey hatte er hierher gebracht, weil er wusste, dass sie hier sicher war.
Wegen des Alkohols schwankte er ein wenig. Er stützte die Hände aufs Waschbecken und sah in den Spiegel. Lacey brauchte ihn nicht. Er wollte es nur gern glauben. Dabei hätte ihre Katze sie genauso gut trösten können.
Na prima.
Er war vom Leibwächter zum schnurrenden Fußwärmer mutiert.
Irgendwer versank da gerade in Selbstmitleid.
Das passierte jedes Mal, wenn er an den Schuss dachte. Dann fühlte er sich wie eine Mogelpackung. Er hatte immer unbedingt ein Cop sein wollen, ein Teil des Schutzwalls zwischen den guten Bürgern und dem Abschaum. Aber er hatte versagt. Und kam mit den Folgen nicht klar.
Seit jenem Tag hatte er seinen Biss verloren. Seinen Mumm. Unsichere Situationen ertrug er nicht mehr. Aber das Leben eines Cops war voll davon. Der harmloseste Einsatz konnte plötzlich lebensgefährlich werden. Eine Verkehrskontrolle. Die Festnahme eines Ladendiebs. Eine häusliche Auseinandersetzung. Fahrlässigerweise hatten weder er noch Cal den jungen Mann nach Waffen durchsucht, und dieser Fehler hatte ein Menschenleben gekostet. Darüber kam Jack nicht hinweg. Deshalb hatte er den Dienst quittiert.
Und nun stand er da, ein betrunkener Idiot, der glaubte, er könne eine Frau vor einem Mörder schützen. Endlich hatte er diejenige getroffen, die bei ihm die richtigen Knöpfe drückte – und jetzt hatte er das Gefühl, nicht gut genug für sie zu sein.
Als er die Hand nach dem Wasserhahn ausstreckte, stieß er eine Haarbürste zu Boden. Er wollte sie aufheben, verlor das Gleichgewicht und knallte mit dem Kopf voran gegen die Tür der Duschkabine. »Scheiße!« Jack saß auf dem Fußboden, rieb sich den Kopf und hoffte, der Raum würde bald aufhören, sich zu drehen.
Die Tür zum anderen Schlafzimmer öffnete sich einen Spalt breit.
»Jack?«
»Nicht reinkommen.« So durfte sie ihn nicht sehen.
Sie stieß die Tür ein wenig weiter auf.
»Bist du betrunken?«
»Sieht so aus.« Er versuchte, ihr in die Augen zu sehen, konnte sich aber für keines der vier entscheiden. Trotzdem bemerkte er die Verwunderung in ihrem Blick.
»Du bist tatsächlich betrunken. Was hast du denn gemacht?«
»Getrunken.« Da musste sie noch fragen?
Er stemmte sich hoch und schlurfte aus dem Badezimmer zu seinem Bett. Auf der Bettkante sitzend schnürte er seine Stiefel auf. Das dauerte eine Weile.
Schließlich ließ er die Stiefel zu Boden fallen. Mit geschlossenen Augen legte er sich zurück.
Viel besser.
Die Haarbürste landete mit lautem Geklapper auf der Spiegelkonsole. Jack riss die Augen auf. »Tschuldigung«, nuschelte er.
Konnte noch nicht mal hinter sich aufräumen.
Seine bleischweren Augenlider fielen wieder zu.
Es war zu still. Mühsam öffnete er ein Auge einen Spalt breit und zuckte zusammen. Ihr Gesicht war nur einen halben Meter von ihm entfernt. Sie musterte ihn mit gerunzelter Stirn. »Was ist?«
»So habe ich dich noch nie gesehen.«
»Du hast ja auch noch nicht viel von mir gesehen.« Er schloss die Augen, damit ihr Gesicht keine Pirouetten drehte. »Du weißt überhaupt nichts über mich. Vielleicht liege ich ja jeden Abend so da.«
»Das glaube ich nicht.« Ihre Stimme klang sanft. Er ließ
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