Verdeckt
auf die Bremse und lenkte den Wagen an den Rand der verlassenen Schotterpiste. Die beiden Freunde starrten einander an. Was Michael sagte, war kaum zu fassen. Sie konnten nicht einfach ohne jeden Plan drauflosfahren. Nur leider gehörte klares, strategisches Denken im Augenblick nicht zu Jacks Stärken. Er spürte, wie Lacey ihm entglitt. Die Chance, sie zurückzubekommen, wurde von Minute zu Minute geringer.
Das Versteck könnte voller Sprengfallen sein?
Ihre Beine taten weh. Ihre Füße sprangen und holperten über den unebenen Boden. Davon wachte sie auf. Jemand hatte sie an den Achseln gepackt und zerrte sie hinter sich her.
»Kelly?«
Die Antwort auf die tastende Frage war ein bellendes Lachen. »Deine Freundin ist weg. Tolle Freundin. Haut einfach ab und lässt dich liegen.«
DeCosta hatte sie immer noch in seiner Gewalt. Diese niederschmetternde Erkenntnis nahm Lacey den Atem. Sie setzte alles daran, nicht auch noch in Tränen auszubrechen. Kelly war geflohen. Würde sie noch rechtzeitig die Polizei alarmieren können?Außer ihr wusste keiner, wohin DeCosta sie gebracht hatte. Sie war allein. Allein mit ihm. Was würde er mit ihr machen?
Suzannes Schädel mit seinen leeren Augenhöhlen fiel ihr ein. Ihre mitleiderregenden, schutzlosen Knochen. Würde jemand eines Tages unverhofft über ihre eigenen stolpern? Sie auf einer blauen Plane mühsam zusammenpuzzeln und sich ärgern, dass einzelne Teile fehlten?
Wenigstens war Suzanne von einer Person identifiziert worden, der sie sehr wichtig gewesen war. Als Lacey an das Video von Suzanne dachte, konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten.
»Wo ist das Baby?«, fragte sie mit zittriger Stimme.
»Welches Baby?« DeCosta schleifte sie in den Hauptraum der Hütte. Rückwärts stakste er mit ihr auf den Kamin zu.
»Das Baby. Suzannes Baby.« Er drehte sie zum Feuer. Lacey starrte die lebhaften, knisternden Flammen an. Die lang ersehnte Wärme auf ihrer Haut rührte sie fast zu neuen Tränen.
»Ach.
Das
Baby. Sie ist kein Baby mehr.« Ächzend lehnte er Lacey mit dem Rücken an die Wand neben dem Kamin. Zum ersten Mal konnte sie sich den Mann, der sie entführt hatte, wirklich ansehen. Er war schmächtig, hatte aber starke Arme. Vermutlich verbargen sich unter der Jacke jede Menge gut trainierte Muskeln. Seine ungewöhnlich blassen blauen Augen bildeten einen auffälligen Kontrast zu dem dunklen Haar. An der Polizeisperre hatten sie freundlich und hilfsbereit geblickt. Jetzt waren sie voller Wut, Hass und Frustration. Manches in diesem Gesicht erinnerte an David DeCosta. Trotzdem hätte Lacey die beiden nie für Brüder gehalten. Dieser Mann passte nicht zu ihrer Erinnerung an den dürren Teenager mit strähnigem Haar, der während des ganzen Prozesses nicht ein einziges Mal aufgeblickt hatte.
Sie?
Das Baby war ein Mädchen? Vor Laceys Augen erschien das Bild eines kleinen Wonneproppens in einem Rüschenkleidchen. War das Kind so blond und schön wie seine Mutter?
»Sie hat ein gutes Zuhause«, sagte Bobby spöttisch.
»Wo? Wo ist sie? Bei wem lebt sie?«
»Jedenfalls dachte ich bisher, es sei ein gutes Zuhause. Inzwischen bin ich nicht mehr so sicher. Die Mutter scheint gewisse Probleme zu haben.« Er befestigte die mit komplizierten Knoten verschnürten, neuen Fesseln um ihre Fußgelenke an einem Eisenring im Boden. Lacey starrte den Ring an. Vor hundert Jahren hatte man an so etwas Pferde festgebunden. Ihr Blick wanderte nach links. In etwa einem Meter Entfernung war ein zweiter Ring in den Boden eingelassen. Dann entdeckte sie einen weiteren. Und noch einen.
Hier konnte man Menschen festbinden.
Herr im Himmel, was war in diesem Raum schon alles passiert?
Mit geschlossenen Augen kämpfte sie gegen die grässlichen Bilder an, die ihr durch den Kopf schossen.
Was hatte er gerade gesagt? Die Mutter?
»Was für Probleme hat die Mutter denn?« Sie durfte nicht an die Ringe denken.
Stirnrunzelnd schürte Bobby das Feuer. Er warf ein weiteres Scheit in die Flammen. »Also, erstens hat sie mir grade eine Taschenlampe über den Schädel gezogen.«
Kelly? Kelly hatte das kleine Mädchen? Lacey schnappte leise nach Luft.
Jessica.
Jessica war Suzannes Tochter.
Ja, natürlich. Das hübsche Mädchen hatte Suzannes Augen. War die tiefe Zuneigung, die Lacey für das Kind empfand, eine Art Instinkt? Sie hatte Jessica vom ersten Augenblick an fest ins Herz geschlossen.
Wusste Kelly, wessen Tochter die Kleine war?
Selbstverständlich.
Lacey sank gegen die
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