Verdeckt
Morgen keine Zeitung gelesen?«
Ray tat, als würde er etwas in sein kleines Notizbuch schreiben – so als hätte Harper gerade ein wichtiges Detail preisgegeben. Harpers Vergangenheit wurde heute auf der Titelseite ausgebreitet. Der Artikel gab sämtliche Fakten akkurat wieder, die auch Mason vorlagen.
»Wissen Sie noch, was Sie in der Nacht von Suzanne Mills’ Entführung getan haben oder mit wem Sie zusammen waren?«
Harpers sah in ungläubig an. »Das ist nicht Ihr Ernst, oder? Das ist jetzt über zehn Jahre her! Erinnern Sie sich vielleicht noch, mit wem Sie in der Nacht zusammen waren?«
»Geben Sie uns einen Namen. Einen Mitbewohner oder eine Freundin – irgendjemanden, mit dem Sie damals viel Zeit verbracht haben.« Mason ließ nicht locker.
»Mein damaliger Mitbewohner hieß Dave Harris. Er lebt jetzt in Bend.«
Diesmal machte Ray sich tatsächlich eine Notiz.
»Soweit ich weiß, haben Sie wegen dieses Falls Kontakt mit Dr. Campbell aufgenommen. Anscheinend ist Ihnen bekannt, dass sie vor elf Jahren nur mit knapper Not einer Entführung entgangen ist.«
»Ja? Und? Was hat sie Ihnen gesagt?« Harper drückte den Rücken durch. Er musterte die Detectives mit einem abwehrenden Blick.
»Wir haben seit Samstag nicht mehr mit ihr gesprochen. Unsere Informationen stammen aus einer anderen Quelle.«
Ray blickte von seinem Notizbuch auf; beide Detectives sahen Harper an. Die kleine Doktorin schien den Mann nicht kaltzulassen. Im Gegenteil: Als Mason sie erwähnt hatte, war Harper beinahe ins Schwitzen geraten. Die Detectives tauschten einen Blick aus. An dieser Stelle würden sie weiter bohren.
»Wie haben Sie erfahren, dass sie diejenige war, die DeCosta entkommen ist? Ihr Name stand nie in der Zeitung.«
Harper stützte die Hüfte gegen den Konferenztisch. Keiner der Männer hatte sich gesetzt. »Sie waren am Samstag doch auch in Lakefield und haben gesehen, wie sie reagiert hat, als die Überreste ihrer Freundin gefunden wurden. Bei der Polizei dort kursiert das Gerücht, sie sei damals diejenige gewesen, die entkommen konnte. Dass das nie in der Zeitung stand, überrascht mich. Alles andere hat der Reporter, der sich mit der Sache beschäftigt, bis ins letzte Detail breitgetreten.«
»Brody?«
»Ich glaube, so heißt er.«
»Der Mann ist eine Nervensäge. Schnüffelt überall herum und will sein Geschreibsel am liebsten immer auf der Titelseite sehen.«
»Was Sie nicht sagen. Mein ganzes Leben war in den letzten fünf Tagen dort nachzulesen. Langsam nehme ich das persönlich. Der Kerl ist vermutlich stinksauer, weil ich seine Fragen nicht beantworte.«
»Möglicherweise ist er vor allem neugierig. Immerhin waren Sie mit einem Opfer des College-Girl-Killers zusammen. Zudem gehört Ihnen das Gebäude, unter dem die Überreste eines anderen Opfers gefunden wurden – und zwar zusammen mit der Dienstmarke eines ermordeten Cops, der früher mal Ihr Partner war.« Mason musste Luft holen. Er war gespannt auf Jack Harpers Reaktion.
Harpers Unterkiefer spannte sich an. »Falls Sie noch einmal mit mir reden wollen, hätte ich gern meinen Anwalt dabei.« Er stieß sich vom Tisch ab und ging zur Tür. »Wir sind hier fertig.«
Er ließ die beiden Männer stehen und marschierte in den Flur.
»Begleiten Sie die Herren bitte hinaus«, warf er ärgerlich über die Schulter, als er am Tisch der Empfangsdame vorbeistapfte. Die Frau riss die Augen auf und ging so zögerlich zum Konferenzzimmer, als fürchtete sie, dort zwei Leichen vorzufinden.
Jack musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht laut mit der Bürotür zu knallen. Er schloss sie behutsam, dann lehnte er die Stirn gegen das Holz.
Scheiße, Scheiße, Scheiße.
Wann würde das endlich aufhören? Wer zum Teufel tat ihm das an? Und warum? Erst wurde er in den Zeitungen nach allen Regeln der Kunst auseinandergenommen. Und jetzt auch noch von der Polizei. Besonders schlau hatte er sich bei der Befragung nicht angestellt. Aber er hatte den Raum verlassen müssen, bevor er sich Callahans Cowboyhut schnappen und ihn dem Cop in den Hals stopfen konnte.
Jack richtete sich auf. Er musste sich ablenken.
Mach dich wieder an die Arbeit.
Schließlich hatte er eine Firma zu leiten.
Jetzt nicht die Kontrolle verlieren.
Jack griff nach einem Stapel Telefonnotizen und sah ihn durch.
Verdammt.
Vielleicht hatte er gar keine Firma mehr zu leiten.
Drei Kunden hatten wichtige Besprechungen abgesagt.
Innerlich schäumend warf er die Notizen in den
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