Verdeckt
hatte eine Schwäche für elektronischen Schnickschnack. Stereoanlagen der Premiumklasse und nagelneue XXL-Flachbildfernseher garnierten jedes Zimmer. Mehr Computerspiele, DVDs und Blue-Rays als in einer Videothek stapelten sich in den Regalen eines kinoähnlichen Vorführraums. In der Garage standen ein Porsche und ein Mini Cooper. Anscheinend war der Besitzer heute mit dem allradgetriebenen Mercedes unterwegs.
Noch einmal wanderte er durch den makellos aufgeräumten begehbaren Kleiderschrank. Dabei summte er eine alte Black-Sabbath-Melodie. Er hatte zweiundzwanzig Anzüge gezählt, neun Paar Anzugschuhe und etwa eine Million Krawatten. Seine Hand strich über eine graue Anzugjacke. Der Schnitt und der Stoff gefielen ihm. Das Kleidungsstück sprach seinen anspruchsvollen Tastsinn an. Er zog es vom Bügel und schlüpfte mit den Armen hinein.
Nicht einmal seine Fingerspitzen waren zu sehen.
Er riss sich die Jacke vom Leib und schleuderte sie zu Boden wie ein verwöhnter Vierjähriger im Zorn über ein kaputtes Spielzeug.
Seine Größe. Ständig wurde er daran erinnert.
Seine Mutter hatte oft behauptet, er würde nur langsamer wachsen und die anderen irgendwann einholen. Die Schlampe hatte gelogen. Wie immer.
Während der Schulzeit hatte er sich auf seine geistigen Fähigkeiten konzentriert und bereits als Neuntklässler Kurse für die Abschlussklassen und sogar College-Seminare belegt. An seiner Größe konnte er nichts ändern, aber er konnte seine Mitschüler auf andere Weise überflügeln.
Mit Intelligenz.
Für ihn war die Schule Mittel zum Zweck gewesen. Er hatte sich Lehrkräfte und Bibliothekspersonal ausgesucht – Leute, von denen er glaubte, dass sie ihm irgendwie nutzen und ihm etwasBesonderes beibringen konnten. Egal was, Hauptsache, es brachte ihn voran. Er lernte, mit Worten zu manipulieren, sich erfolgreich zu verkaufen.
Aber er hasste seine Mitschüler. Besonders die anderen Jungs. Sie ließen ihn stolpern, warfen seine Hefte in den Dreck und machten bitterbösen Highschool-Witze über ihn. Er wollte sie alle vernichten. Oft schwelgte er in Racheträumen, in denen er es den Arschlöchern heimzahlte, die ihm die Schulzeit zur Hölle machten.
Immer, wenn es an Schulen im Land Amokläufe gab, hing er gebannt vor dem Fernseher. Er verstand die Kids, die so etwas taten. Er konnte die Frustration und die Wut nachempfinden, die sie zum Töten trieb. Mit einer Mischung aus Neid und Bewunderung verfolgte er die endlosen Nachrichtensondersendungen.
Sie hatten es tatsächlich getan.
Er malte sich solche Szenarien in seinen kühnsten Wunschträumen aus – setzte sie aber nie in die Tat um. Welch ein Vermächtnis diese jungen Leute hinterließen. Niemand würde sie je vergessen.
Ein Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. Er würde bald genauso berühmt sein; es war nur noch eine Frage der Zeit. Eigentlich musste er sich nur an seinen Plan halten. Die zeitlichen Abläufe hatte er jahrelang immer wieder überarbeitet und verfeinert. Im Grunde konnte nichts mehr schiefgehen.
Allerdings erwog er inzwischen, noch einen neuen Handlungsstrang einzuflechten.
Damit, dass Lacey Campbell so früh in Erscheinung treten würde, hatte er nicht gerechnet. Was für eine erstaunliche Laune des Schicksals, dass ausgerechnet sie bei der Bergung von Suzanne Mills’ Knochen dabei gewesen war. Ungläubig schüttelte er darüber zum hundertsten Mal den Kopf. Er hatte erst später mit ihr gerechnet – wenn die Überreste ins gerichtsmedizinische Institut gebracht wurden. Und selbst wenn sie an der Untersuchung gar nicht beteiligt gewesen wäre, hätte sie früher oder später gehört, wessen Skelett im Leichenschauhaus lag. Ihr verfrühter Auftritt in seinem Spiel war ein mächtiges Zeichen. Aber er musste es vorsichtig interpretieren.
Was hatte es zu bedeuten?
Sollte er seinem ursprünglichen Plan folgen? Sollte er gegen das Verlangen ankämpfen, mit ihr zu spielen? Oder hatten höhere Mächte beschlossen, ihren Platz in den zeitlichen Abläufen vorzuverlegen und ihm mehr Zeit mit dieser ganz besonderen Frau zu geben? War ihre Gegenwart ein Geschenk?
Ein Geschenk?
Gute Idee. Sicher konnte er ihr doch einfach etwas schenken, ohne seine Pläne zu gefährden. Er musste sich nur genau überlegen, was es sein sollte. Vorerst schob er den Gedanken beiseite. Er brauchte Zeit, um alle Möglichkeiten abzuwägen.
Etwas zufriedener ging er die Schachtel mit den Manschettenknöpfen durch und suchte die goldenen heraus. Dass er
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