Verdeckt
niemandem auffiel. Warum bewegte er sich so schnell? Er zwang sich, langsamer zu gehen, tat, als würde er sich Notizen machen. Ein paarmal schaute er zwischen dem Haus und seinem Block hin und her, damit es aussah, als notiere er sich eine Beschreibung. Einer der Detectives sah zu ihm herüber, wandte sich dann aber wieder dem Päckchen zu.
Er hatte sein Glück herausgefordert. Warum war er vom ursprünglichen Plan abgewichen?
Dumm, dumm, dumm.
Sein Verlangen, das Nachspiel mitzuerleben, war einfach zu groß gewesen. Bis in die Fingerspitzen durchrieselte ihn das wohlige Machtgefühl. Die verwirrten Cops, die aufgeregte Menge:
sein Werk!
Jeder rätselte, wer er war. Er blieb stehen, atmete heftig aus – befreite sich von dem zersetzenden Stolz. Wenn er Erfolg haben wollte, musste er sich besser unter Kontrolle haben.
Von jetzt an würde er keine Fehler mehr machen.
Obwohl einiges dagegensprach, beschloss Mason, das Päckchen gleich an Ort und Stelle öffnen zu lassen. Der Kampfmittelräumdienst durchleuchtete es und erklärte es für unbedenklich. Er hatte immerhin gewartet, bis jemand da war, der sich mit so etwas auskannte. Jetzt sah er zu, wie eine Frau das Päckchen fotografierte, das glänzende Klebeband auf Fingerabdrücke untersuchte und das Ding dann vorsichtig öffnete. Auf dem UPS-Aufkleber stand die Adresse des Opfers. Die Absenderadresse war ein Postfach in Portland.
Er und Lusco hatten sich nicht einigen können, ob das Päckchen geöffnet werden sollte oder nicht. Lusco wollte es erst ins Labor schicken. Mason wollte sofort wissen, was drin war. Die leitende Kriminaltechnikerin der Spurensicherung hatte es ebenfalls nicht am Tatort aufmachen wollen, doch Mason hatte ihr eine Dienstanweisung gegeben. Das Gemetzel im Haus trug dieselbe Handschrift wie bei Trenton und Cochran. Mit einem Unterschied: Es gab keinen Gegenstand, der auf ein vorausgegangenes Verbrechen hinwies.
Der Täter ließ immer etwas zurück. Trentons Dienstmarke an Mills’ Fundort. Trentons Haar am Cochran-Tatort. Selbst dieDVD auf Dr. Campbells Veranda und der Ring in ihrem Laborkittel entsprachen halbwegs dem Muster.
Am liebsten wollte Mason das Päckchen einfach aufreißen. Er trat von einem Fuß auf den anderen, konnte einfach nicht stillstehen. Lusco warf ihm einen seltsamen Blick zu. Wahrscheinlich glaubte sein Partner, er müsste mal. Mason stellte das Gezappel ein und drehte die Fäuste in die Manteltaschen. Sein Atem hing in Wolken in der Luft.
Was zum Teufel ging hier vor? Es sah aus, als hätten sie jetzt einen dritten Mord, der irgendwie im Zusammenhang mit diesem verdammten Serienkiller DeCosta stand. Jemand wollte ihnen eindeutig etwas sagen. Die gebrochenen Oberschenkel in allen Fällen waren eine klare Botschaft an die Polizei, dass immer derselbe Täter am Werk war.
Hatten sie damals den Falschen eingesperrt? Einen Komplizen übersehen? Und wer war als Nächstes an der Reihe?
Diese Fragen verfolgten ihn bereits im Schlaf. Er knirschte mit den Zähnen. Dr. Campbell konnte die Nächste sein. Sie hatte bei der Überführung DeCostas eine wichtige Rolle gespielt. Zum Glück war der vorsitzende Richter von damals, Stanley Williams, bereits vor ein paar Jahren gestorben. Wenigstens eine Person, um die sie sich keine Sorgen mehr machen mussten.
Richard Buck hatten sie vor zwei Tagen gewarnt. Ihm vorgeschlagen, er solle Urlaub machen oder die Stadt für eine Weile verlassen. Sie hatten ihm dasselbe geraten wie der kleinen Zahnärztin. Aber Buck hatte gerade einen wichtigen Fall. Über Masons Vorschlag, sich vertreten zu lassen, lachte er nur.
Mason hätte gern gewettet, dass Buck ihm jetzt glaubte.
Endlich. Das Päckchen war offen. Diese Frau war eine Schnecke! Er zog den Kopf ein und öffnete die Fäuste. Die Technikerin machte nur ihre Arbeit und sie machte sie gründlich. Aber verdammt noch mal, er wusste, dass der Inhalt wichtig war.
Einige Nachbarn hatten der Polizei gesagt, sie hätten den UPS-Lieferwagen gesehen. Sie beschrieben ihn als völlig normal und unverdächtig. Die Auslieferung eines Paketes war leicht zu überprüfen.Bei einem so komplett computerisierten Unternehmen ließ sich jeder Schritt nachverfolgen. Mason war sicher, dass es sich bei dem Paket um eine Standardsendung handelte und dass die Absenderadresse ihnen nicht weiterhelfen würde. Es war in einem Paketcenter aufgegeben worden.
Er beugte sich vor und spähte über die Schulter der Technikerin. Der Anblick überraschte ihn nicht.
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