Verdeckt
einer dampfenden Kaffeetasse in der Hand klickte Michael sich durch die Seiten des Grundstücksregisters. Seine Zehen waren immer noch nicht ganz aufgetaut, obwohl er die Heizung im Hotelzimmer voll aufgedreht hatte. Die Fahrt zu dem Campingplatz, an dem Amys Leiche gefunden worden war, hatte sich als Pleite erwiesen. Der Platz war geschlossen, die Zufahrt über den Winter durch ein Tor versperrt. Er hatte sich überlegt, ob er den Wagen abstellen und vom Tor aus zu Fuß weitergehen sollte. Aber von dort bis zum Fluss waren es fast zwei Meilen. Außerdem war aus dem romantischen Schneegeriesel ein heftiges Schneetreiben geworden und er hatte Hunger. Er konnte sich die Stelle auch auf Google Earth ansehen. Vielleicht fand er dort ein paar gute Bilder aus der Vogelperspektive.
Seine Augen glitten über die aktuelle Seite des Grundstücksregisters auf dem Bildschirm seines Laptops. Er suchte nach den Besitzern der Grundstücke am Fluss. Ungeduldig scrollte er sich durch jede Menge Kleingedrucktes, dann stand mitten auf der Seite ein Name. Michael hielt den Atem an. Seine Gedanken überschlugen sich. Die öffentliche Hand war definitiv nicht Eigentümer des Landes direkt am Ufer. Die Stelle, an der er am Morgen gestanden hatte, war Teil einer über hundert Hektar großen Parzelle im Besitz von Joseph und Anna Stevenson.
Laceys ehemaligen Schwiegereltern.
Ärgere nie einen Reporter.
Jack warf die Zeitung auf den Schreibtisch und versuchte, Michael in der Redaktion zu erreichen. Janice, Jacks Sekretärin, hatte ihm die Nachmittagsausgabe des
The Oregonian
ein wenig beklommen hingelegt. Sie war zum Kiosk hinuntergelaufen und hatte die Zeitung gekauft, weil ihre Mutter ihr am Telefon gesagt hatte, ihr Boss sei auf der Titelseite.
Brody riss sich bei den Recherchen über Jacks Vergangenheit anscheinend regelrecht den Hintern auf. Der verdammte Artikelschilderte detailgetreu Jacks über zehn Jahre zurückliegende Befragung zu den Campus-Morden durch die Polizei in Corvallis. Die Fakten waren korrekt wiedergegeben. Aber das bedeutete nicht, dass er sie auf der Titelseite lesen wollte.
Laut Brodys Anrufbeantworter befand sich der Reporter auf einer Auswärtsrecherche und Jack erinnerte sich wieder daran, dass er und Lacey in der Nacht etwas von einem Kurztrip nach Mount Junction gesagt hatten. Wie lang würde der Kerl wohl weg sein? Jack rieb sich den Nacken und legte auf. Er lehnte sich auf seinem Bürosessel zurück und starrte stumm auf das Telefon. Was jetzt? Untätig herumsitzen war ihm zuwider, aber Lacey nach Brodys Handynummer zu fragen, war auch keine Option. Er hatte noch immer ein leicht ungutes Gefühl wegen der Geschichte mit der DVD.
Lacey hatte ihn um vier Uhr morgens vor die Tür gesetzt – nicht ohne ihm vorher einen Vortrag über ihre Beziehung zu dem Reporter zu halten. Jack hätte sich geweigert zu gehen, aber sie hatte ihren Vater angerufen und ihn gebeten, zu ihr zu kommen. Schon nach wenigen Minuten war er dagewesen. In den ersten zehn Sekunden ihrer Tirade hatte Jack erfahren, dass Michael Brody zu Laceys allerbesten Freunden gehörte, die sie beschützte wie eine Gänsemutter ihre Brut. Eine Gänsemutter mochte nicht besonders groß sein, aber wenn sie laut kreischend auf einen zustob, rannte man besser in der Gegenrichtung davon.
Es musste ihm gelingen, sie zu besänftigen. Irgendwie.
Wenigstens wusste er nun, dass sie und Brody kein Paar waren und nichts miteinander hatten.
Jack schob die Gedanken an die peinliche frühmorgendliche Situation beiseite. Stattdessen nahm er sich den Artikel noch einmal vor. Natürlich war da zu lesen, Jack habe ausgesagt, er hätte nichts mit dem Knochenfund unter seinem Gebäude zu tun. Auch sei in keinem Punkt Anklage gegen ihn erhoben worden. Weiter hieß es, er kooperiere in allen Belangen bereitwillig mit der Polizei. Eigentlich musste er doch dankbar sein, oder?
Doch dann kam die Liste seiner Berührungspunkte mit den Verbrechen vor zehn Jahren, gefolgt von der Feststellung, dasMehrfamilienhaus in Lakefield hätte ihm auch damals schon gehört. Das entsprach nicht ganz den Tatsachen. Jack schürzte die Lippen. Besitzer des Hauses war zu jener Zeit sein Vater gewesen. Ein paar Zeilen weiter hieß es, Jack habe zum Zeitpunkt der ersten Entführungen noch an der Oregon State University studiert. Das stimmte zwar, aber dasselbe galt für fast ein Drittel aller College-Absolventen aus Oregon. Auch dass er sich öfter mit Sportlerinnen vom College verabredet
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