Verdeckt
Erster mit der Faust zugeschlagen hatte, verbal hatte er aber durchaus ins Wespennest gestochen. Ihre Gedanken schossen immer noch kreuz und quer durcheinander.
Als Michael mit dem Land Rover in ihre Straße einbog, richtete sie sich auf. Wenn er glaubte, er könnte mit ins Haus, mit ihr reden und sich entschuldigen, hatte er sich geschnitten. Er würde schnurstracks nach Hause fahren. Noch mehr Testosterondunst ertrug sie heute nicht mehr. Sie sah den Lichtkegel der Scheinwerfer über die Wagen huschen, die am Straßenrand geparkt waren und wappnete sich für die Konfrontation.
Wie konnten die beiden es wagen, sich zu raufen wie Straßenköter? Männer benahmen sich gelegentlich wie Idioten. Aber der Auftritt heute Abend schlug dem Fass den Boden aus. Lacey stieß ein unwilliges Schnauben aus; Michael sah sie fragend an.
Dass sie wütend war, konnte er sich denken. Lacey fand, er müsste eigentlich vor Angst bibbern. Am liebsten hätte sie ihn verprügelt. Und Jack gleich mit. Aber der war nicht da. Deshalb würde Michael jetzt ihren ganzen Zorn zu spüren bekommen.
Er hielt in ihrer Einfahrt an und stellte den Motor ab.
»Lace …«, begann er zögernd.
»Sag einfach gar nichts«, fuhr sie ihn an. »Ich musste heute Abend mit ansehen, wie zwei erwachsene Männer aufeinander losgegangen sind wie zwei Jungs aus einer Straßengang. Meine Frisur ist im Eimer und mein neues, sündhaft teures Kleid zerrissen.« Sieberührte ihr Ohrläppchen. »Und irgendwo habe ich auch noch meinen Diamantstecker verloren. Mit zweieinhalb Karat.« Sie wurde langsam warm. »Ich weiß, es war nicht allein deine Schuld, Michael. Aber du bist hier und er hockt irgendwo in einer Zelle. Wenn ich nicht so verdammt müde wäre und nicht noch meine Sachen packen müsste, damit ich bei meinem Dad übernachten kann, würde ich runter in die Stadt marschieren und ihm so was von den Kopf waschen. Ich dachte, ihr beide wollt mir helfen. Wie soll ich denn allein damit klarkommen, dass dort draußen ein Killer herumläuft? Wie könnt ihr euch bloß so danebenbenehmen?«
Immerhin besaß Michael den Anstand, ein beschämtes Gesicht zu machen. »Es tut mir leid, Lace. Wirklich. Aber dieser Typ bringt einfach meine schlechtesten Seiten zum Vorschein. Du weißt, ich würde dich nie im Stich lassen. Als ich kürzlich nachts abgehauen bin, war er ja noch da, und mir war klar, dass er dich nicht aus den Augen lassen würde.« Michael rutschte verlegen hin und her. »Er hat etwas an sich. Dasselbe, das ich von mir kenne. Nenn es übertriebenen Beschützerinstinkt. Einerseits macht es mich wahnsinnig, dass er dir gegenüber so etwas empfindet. Andererseits vertraue ich genug darauf, um die Stadt zu verlassen, weil ich weiß, dass du bei ihm sicher bist.«
Damit nahm er ihr komplett den Wind aus den Segeln. »Aber warum hast du dann angedeutet, dass er irgendwie an Amys Tod beteiligt sein könnte? Das war niederträchtig.«
»Ich wollte bloß sehen, wie er reagiert.«
»Tja, das weißt du ja jetzt. Wirklich intelligent war das nicht, Michael. Und warum hast du Anzeige erstattet? So lang er in einer Zelle sitzt, kann er schlecht auf mich aufpassen.«
»Warum bist du bloß so verdammt logisch?«, murrte Michael. »Ich ziehe die Anzeige zurück und hole ihn raus.«
»Ich bin logisch, weil durch
mein
Hirn nicht nur Testosteron wabert.«
Sie tastete nach dem Türgriff und warf dabei einen Blick zu ihrem Haus.
Was war das?
Lacey erstarrte und fixierte den Punkt im Dunkeln. Da war es wieder. Irgendjemand kauerte im Schatten an der Seite ihres Hauses unter der umlaufenden Veranda.
»Michael.« Sie flüsterte. »Schau.« Ohne die Hand über das Armaturenbrett zu heben, zeigte sie auf den Hauseingang. »Siehst du das? Da ist jemand.« Ihre Stimme zitterte. Sie drückte auf den Türschließer.
»Ja, ich seh’s.« Michael war bereits in Habachtstellung. »Bleib hier.« Er griff ins Seitenfach und glitt aus dem Wagen, bevor sie ein weiteres Wort sagen konnte.
Sie hatte die Pistole in seiner Hand gesehen. Dieser Anblick verschlug ihr die Sprache.
Was hatte er vor?
Michael besaß eine Lizenz zum verdeckten Tragen einer Waffe. Aber außerhalb der Schießanlage hatte sie nie eine bei ihm gesehen.
Die Person, die sich an der Seite ihres Hauses versteckte, konnte sicher deutlich erkennen, dass Michael aus dem Wagen gestiegen war und dass sie noch darin saß. Michael joggte lässig die Verandastufen hoch und rief über die Schulter: »Ich hole dir kurz deine
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