Verdeckt
nicht, wo er wohnte, und nannte auch keine Person, die ihn abholen konnte. Dass er nichts bei sich hatte, womit er sich ausweisen konnte, passte den Cops überhaupt nicht. Sie wollten seine Adresse wissen und wer er war. Aber Lacey konnte ihnen auch nicht weiterhelfen. Sie kannte seinen Namen, mehr nicht.
Auf der Wache hatte Sean sich sofort zusammengekauert. Zwischen ihm und den beiden Cops, die ihn den Flur entlangschieben wollten, war es zu einem Gerangel gekommen. Lacey und Michael waren gerade rechtzeitig aufgetaucht, um mitanzusehen, wie allseits die Emotionen hochkochten. Lacey war es gelungen, Sean zu beruhigen und ihn zu überreden, mit den Polizisten mitzugehen. Sie hatten ihn in ein Befragungszimmer gebracht und ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Das bekannte Gesicht von Detective Callahan zu sehen, war eine gewisse Erleichterung. Auf Laceys Bitte hin setzte er sich als Zeuge in das Befragungszimmer. Darüber war sie froh. Michael und Jack erklärte sie, sie würde erst gehen, wenn die Polizei mit Sean fertig war. Jack wollte das Präsidium erst verlassen, wenn sie es tat, und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Michael hatte sich nach einem einzigen Blick in Jacks stures Gesicht auf dem Stuhl am anderen Ende der Reihe niedergelassen. Die düsteren Blicke der Männer sagten Lacey, dass Widerspruch zwecklos war.
Die zwei sahen aus, als hätten sie sich die ganze Nacht geprügelt. Was ja beinahe stimmte. Michael hatte sich bei dem Gerangel mit Sean die Hose zerrissen. Das Jackett hatte er nachlässig auf einen Stuhl geworfen, an seinem Hemd fehlten zwei Knöpfe. Er krempelte die schmuddeligen Ärmel hoch, sah ihr zu, wie sie auf und ab tigerte, und schaffte es irgendwie, dabei bedrohlich zu wirken.
Jack sah mindestens genauso verwahrlost und gefährlich aus. Und beide Männer stanken immer noch nach dem Alkohol, den sie ihnen über die Köpfe gekippt hatte. Der Geruch von Tequila hing im Raum. Vermutlich war das der Grund für die missbilligenden Blicke der Cops, die durchs Foyer gingen.
In Laceys Kleid klaffte immer noch der Riss. Ohne Nadel und Faden konnte sie erst einmal nichts daran ändern. Sie hatte sich im Damenklo die verschmierte Wimperntusche vom müden Gesicht gewaschen. Ihre Haarspange blieb unauffindbar, ihre Frisur war endgültig hinüber. Mit den Fingern kämmte sie sich das Haar notdürftig hinter die Ohren.
Sie sahen aus wie Gäste eines Staatsbanketts, die von einem Erdbeben überrascht worden waren.
Lacey seufzte.
Sechs Uhr morgens. Und es war Sonntag.
Eigentlich sollte sie im Bett liegen. Sie sollte sonst wo sein, aber auf keinen Fall hier.
Als ihr Handy klingelte, zuckten alle drei zusammen. Es steckte in ihrer Handtasche, und die lag unter Michaels Jacke auf dem Stuhl. Ohne sie anzusehen, hielt er ihr die Tasche hin.
Der Anruf kam von Chris, Kellys Mann.
»Hast du etwas von Kelly gehört?« Er war völlig außer Atem.
»Nein. Nicht seit vorgestern, als ich euch beide in der Sporthalle gesehen habe.« Lacey wusste nicht, was sie davon halten sollte. Chris klang ziemlich gestresst.
»Was ist los?« Chris war sonst nie gestresst.
»Kelly ist heute Nacht nicht nach Hause gekommen.«
»Was? Wo ist sie?« Lacey erstarrte. Sie spürte, wie die Angst nach ihr griff.
»Ich weiß es nicht! Sie ist nach dem Abendessen in die Turnakademie gefahren und wollte Schreibkram erledigen. Als es immer später wurde, habe ich sie auf dem Handy angerufen, aber nur die Mailbox erreicht. Also bin ich zur Halle gefahren. Ihr Wagen stand aber nicht da. Ich habe trotzdem im Büro nachgesehen. Den Schreibkram hat sie erledigt, aber sie ist weg. Hast du irgendeine Ahnung, wo Kelly sein könnte?« Chris sprach, ohne Luft zu holen.
»Nein, Chris. Wirklich nicht. Hast du bei ihren Eltern nachgefragt und bei ihrer Schwester?« Laceys Gedanken jagten. Ihr Magen zog sich zusammen.
Lieber Gott. Bitte nicht auch noch Kelly.
»Ich habe gestern Abend noch ziemlich spät dort angerufen, aber nicht nach Kelly gefragt. Weil ich nicht wollte, dass sie sich Sorgen machen, habe ich mir eine Ausrede ausgedacht. Aber von Kelly hat niemand etwas gesagt.«
»Hast du die Polizei angerufen?«
Lacey hörte Stiefelschritte. Sie blickte auf. Detective Callahan warf ihr einen langen Blick zu und er sah nicht glücklich aus.
»Augenblick, Chris. Ich bin gerade bei der Polizei. Ich sorge dafür, dass die sich darum kümmern.« Sie bedeckte das Handy mit der Hand und wandte sich an den Detective. »Meine Freundin ist
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