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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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lehnte sich zurück und rammte den Fuß gegen die Tür. Einmal. Zweimal. Dreimal. Jedes Mal erzitterte sie mit ohrenbetäubendem splitterndem Krachen, und jedes Mal prallte sie wieder in ihren Rahmen zurück.
    » Fuck .« Schwitzend blieb er auf dem Gehweg stehen. Seine Schulter schmerzte, und bei den Fußtritten hatte er sich das Kreuz verrenkt. »Bin allmählich zu alt für so was.«
    »Das soll ja ein Safe House sein.« Nick ließ die Hand sinken und betrachtete zweifelnd die Tür. »Ist auch eins. Eben sicher.«
    Er schaute wieder zu den Fenstern hinauf. »Hoffentlich haben Sie recht.«
    Ein weißer, gepanzerter Mercedes Sprinter hielt an. Caffery und Nick verfolgten, wie sechs Mann in Kampfausrüstung heraussprangen. 727: Das war Fleas Einheit.
    »Wir sehen uns schon wieder?« Während der Rest der Truppe den roten Rammbock aus dem Van holte, trat Wellard zu Cafferty und schüttelte ihm die Hand. »Allmählich glaube ich, Sie stehen auf mich.«
    »Na ja, die Uniform gibt Ihnen so ein gewisses Etwas. Kommen Sie schon wieder in Vertretung?«
    »Sieht so aus.«
    »Wo ist Ihr Sergeant?«
    »Ehrlich? Ich weiß es nicht. Ist heute nicht zum Dienst erschienen. Passt nicht zu ihr, aber in letzter Zeit passt überhaupt nichts zu ihr.« Er klappte das Helmvisier zurück und spähte seitlich am Haus hinauf. »Was haben wir denn hier? Ich glaube, ich kenne die Hütte. Das ist die alte Opferschutzwohnung, oder?«
    »Wir haben eine gefährdete Familie hier untergebracht, im Rahmen des Zeugenschutzes. Die Lady da drüben«, er zeigte auf Nick, »ist vor einer halben Stunde hier aufgekreuzt. Sie wird erwartet, aber niemand macht ihr auf. Innen sind die Ketten vorgelegt. Und es riecht nach irgendwas. Nach Lösungsmittel oder so ähnlich.«
    »Wie viele Personen?«
    »Drei, vermutlich. Eine Frau Mitte dreißig, eine Frau Mitte sechzig und ein kleines Mädchen. Vier.«
    Wellard hob die Brauen. Er warf noch einen Blick auf das Haus, sah dann Nick und Caffery an und winkte wortlos seinen Männern. Sie trabten mit dem Rammbock an, bauten sich rechts und links vor der Tür auf und setzten ihn schwingend in Bewegung. Nach drei ohrenbetäubenden Stößen zersplitterte die Tür in zwei Hälften. Die eine hing an den beiden Sicherheitsketten, die andere in den Angeln.
    Wellard und zwei seiner Leute sprangen mit erhobenen Schutzschilden über die Trümmer der Tür in den Hausflur. Sie stürmten die Treppe hinauf und schrien dabei, wie sie es in der Wohnung der Moons getan hatten: » Polizei, Polizei !«
    Caffery folgte ihnen. Ein beißender Dampf wehte ihm entgegen. Er verzog das Gesicht. »Macht ein paar Fenster auf, irgendjemand!«, schrie er.
    Oben angelangt, sah er, dass Wellard am Ende des Treppenabsatzes eine Tür aufhielt. »Ihre sechzigjährige Lady.«
    Caffery warf einen Blick in den Raum und erblickte die Frau auf dem Bett – Janices Mutter. In einem cremefarbenen Pyjama, das kurze weiße Haar aus der sonnengebräunten Stirn zurückgestrichen, lag sie auf der Seite, einen Arm über den Kopf gestreckt, den andern über das Gesicht gelegt. Als er ihre langsame und flache Atmung hörte, musste er an Hospize und Pflegestationen denken. Bei dem plötzlichen Lärm regte sie sich und öffnete halb die Augen; ihre Hand hob sich in einer unbestimmten Bewegung, aber sie wachte nicht auf.
    Caffery beugte sich über das Treppengeländer und rief den Männern im Erdgeschoss zu: »Rufen Sie den Rettungsdienst, schnell!«
    »Erwachsener Mann hier!«, schrie ein anderer Officer, der in der Küchentür stand.
    »Ein erwachsener Mann?« Caffery lief zu ihm. »Nick hat gesagt, er ist nicht …« Er führte den Satz nicht zu Ende. Das Küchenfenster stand einen kleinen Spalt weit offen. Auf der Abtropfplatte stapelten sich ein paar abgespülte Teller und Tassen, daneben standen ein mit Klarsichtfolie abgedeckter Teller mit Essen und auf dem Kühlschrank eine leere Weinflasche. Ein Mann lag auf dem Boden. Sein Kopf lehnte in einem absonderlichen Winkel am Küchenschrank, und sein weißes Hemd war voll von Erbrochenem. Aber es war nicht Cory Costello, sondern DC Prody.
    »O mein Gott – Paul? Hey !« Caffery ging in die Hocke und schüttelte ihn. »Aufwachen. Scheiße, wachen Sie auf!«
    Prody bewegte den Unterkiefer auf und ab. Ein langer Speichelfaden hing an seiner Lippe. Er hob die Hand und versuchte kraftlos, ihn wegzuwischen.
    »Was, zum Teufel, ist passiert?«
    Prody öffnete die Augen halb und schloss sie wieder. Sein Kopf rollte herum.

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