Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
Vom Netzwerk:
Transparent in seinem Bewusstsein entfaltete. Aber nichts passierte. »Und?«, fragte er schließlich. »Hat er etwas verändert?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Was denken Sie, wo die Kamera war, als er das Bild aufgenommen hat?« Caffery zog Roses Handy aus der Tasche, sah sich an, wie Moon auf dem Bett lag, und drehte es mit ausgestrecktem Arm, bis der Blickwinkel stimmte. »Er muss ein Stativ benutzt haben; das Bild ist von hoch oben aufgenommen worden.«
    »Vielleicht hat er sie über die Tür gestellt. Auf den Türrahmen.«
    Caffery ging näher an die Tür heran. »Was ist das da in der Wand? Schrauben?«
    »Ich glaube, da hing vor Jahren eine Uhr. Aber ehrlich gesagt, ich weiß es nicht mehr.«
    »Vielleicht hat er eine Halterung an die Wand gehängt.« Caffery zog einen Stuhl unter Marthas Schreibtisch hervor, stellte ihn vor die Tür und stieg hinauf. »Für die Kamera.« Er setzte seine Brille auf und betrachtete die Schrauben aus der Nähe. Die eine glänzte silbern und ragte ungefähr einen halben Zentimeter aus der Wand. Aber die zweite Schraube war keine Schraube, sondern ein Loch. Er schob den Finger hinein, und drinnen bewegte sich etwas. Leise fluchend wühlte er in seiner Tasche nach dem Schweizer Messer, zog mit den Fingernägeln die Pinzette heraus und zupfte damit sehr vorsichtig einen Gegenstand aus dem Loch.
    Er stieg vom Stuhl und ging mit erhobenem Zeigefinger zu Jonathan. Auf der Fingerkuppe lag eine winzige schwarze Scheibe, so groß wie ein Penny und mit den matten Konturen elektronischer Schaltkreise auf der Oberfläche. An einer Seite blinkte ein silbriger Punkt: ein Objektiv. Das Ganze wog wahrscheinlich keine zwanzig Gramm.
    »Was ist das ?«
    Caffery schüttelte den Kopf. Er überlegte immer noch. Und eine Sekunde später ging ihm ein Licht auf. » Fuck! « Er stieg auf den Stuhl und schob das Ding wieder in das Loch, sprang herunter und führte Jonathan aus dem Zimmer.
    »Was ist los?« Verblüfft starrte Jonathan ihn an.
    Caffery legte einen Finger an die Lippen. Er scrollte durch das Nummernverzeichnis in seinem Telefon. Seine Nackenhaare sträubten sich.
    »Was ist los?«
    »Sschh!« Er wählte eine Nummer, hielt das Telefon ans Ohr und hörte das Freizeichen.
    Jonathan schaute zu Marthas Zimmertür und dann wieder zu Caffery. Er rückte nah an Caffery heran und zischte: »Sagen Sie schon, um Himmels willen.«
    »Kamera.« Caffery formte das Wort mit dem Mund. »Das Ding ist eine Kamera.«
    »Und das heißt?«
    »Das heißt, dass Ted Moon uns beobachtet.«

56
    D as laute Geräusch beim Öffnen der Luke hatte Flea einen solchen Schreck eingejagt, dass es fast eine halbe Stunde dauerte, bis sie den Mut fand weiterzugehen. Wie gelähmt stellte sie sich vor, wie das Geräusch durch den Tunnelabschnitt vor ihr hallte. Wie Wellen von schwarzem Wasser flutete es durch den Luftschacht nach oben und verriet ihre Anwesenheit. Endlich, als nichts passierte und sie davon ausging, dass der Entführer nicht da war, schob sie ihre Schulter in die Lücke, stemmte sich gegen das Schott und zog die Luke mit einem lang gedehnten, schleimig schmatzenden Geräusch weit auf. Ein Schwall von Tageslicht und kühler Luft flutete ihr entgegen. Sie hielt den Atem an und kämpfte die verrückte Angst nieder, die in ihr aufsteigen wollte.
    Der vordere Teil des Rumpfs vor ihr schien leer zu sein. Durch den Druck des Gesteins, das auf dem Kahn lastete, war er leicht aufwärtsgerichtet, und man konnte einen niedrigen Sims oder eine Bank an der Bordwand über der Wasseroberfläche erkennen. Ein Eisenkasten war an die Unterseite des Decks geschweißt – ein altes Seilfach, für ein Tau zum Trockenhalten –, und sie entdeckte zwei Löcher, durch die dieses Tau geführt werden konnte. Sonnenlicht fiel durch sie herein, und die Strahlen zielten wie zwei Lasergewehre in den Innenraum. Die hundert Jahre alten Spuren von Kohle waren nicht zu übersehen: An den Innenwänden hingen schwarze Kristalle, die absplitterten, wenn man dagegenschlug. Flea hob den Kopf. Über sich erblickte sie die hellen Umrisse einer weiteren Luke.
    Sie beäugte sie stumm und dachte mit schmerzlicher Sehnsucht an den Raum und das Licht auf der anderen Seite. Wenn es ihr gelang, diese Luke zu öffnen, könnte sie hinauskriechen. Mit ihrer Kletterausrüstung würde sie keine halbe Stunde brauchen, um durch den Luftschacht nach oben zu steigen. Es konnte alles ganz einfach sein, vorausgesetzt, sie befand sich allein hier unten.
    Sie hob den Arm

Weitere Kostenlose Bücher