Verderbnis
nein , nein . Ich schwöre bei allen Heiligen, er ist kein Kinderschänder. Mein Sohn ist kein Kinderschänder.«
»Er hat ein dreizehnjähriges Mädchen ermordet.«
»Aber nicht, weil er ein Kinderschänder ist.«
Auf dem Tisch lag ein einzelnes Blatt mit Cafferys Handschrift. Es waren hingekritzelte Notizen, die er während eines Telefongesprächs am Abend gemacht hatte. Nachdem Sharon Macy obduziert worden war, hatte er einen kurzen, informellen Anruf aus der Rechtsmedizin erhalten. Offiziell wollte der Arzt nichts sagen, denn alles würde im Bericht stehen. Aber ein paar Dinge könne er unter der Hand schon verraten. Sharon Macys Leiche sei so stark verwest, dass man nichts mehr mit hundertprozentiger Gewissheit sagen könne, aber er gehe davon aus, dass sie entweder an dem durch einen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand hervorgerufenen Schädeltrauma am Hinterkopf oder durch den Blutverlust infolge einer enormen Schnittverletzung an der Kehle gestorben sei. Es gab Hinweise darauf, dass sie sich gewehrt habe: An der rechten Hand sei ein Finger gebrochen. Aber Hinweise auf sexuelle Übergriffe hatte die rechtsmedizinische Untersuchung nicht erbracht. Die Kleidung war nicht ungeordnet und die Leiche nicht auf eine sexuell motivierte Weise zur Schau gestellt worden.
»Ich weiß«, sagte Caffery jetzt. »Ich weiß, dass er kein Kinderschänder ist.«
Peter Moon schaute ihn verdutzt an. »Was?«
»Ich habe gesagt, ich weiß, dass er nicht pädophil ist. Und dass er Mädchen entführt hat? Allesamt unter dreizehn? Das ist eine falsche Spur. Zufall. Es hätten auch Jungen sein können. Teenager. Babys.«
Caffery schüttelte einen Satz Fotos aus einem Umschlag, stand auf und klebte sie sehr sorgfältig auf das Whiteboard, eins nach dem andern, aufgereiht unter Ted Moons Foto. Von einem der Corporals hatte er sich kleine Etiketten mit allen wichtigen Informationen, die ihm eingefallen waren, drucken lassen: Name, Alter, Aussehen, sozioökonomische Schichtenzugehörigkeit, Beruf, Herkunft und so weiter. Diese Etiketten klebte er jetzt unter die Gesichter. »Sie sind hier, weil Ihr Sohn eine Liste von Opfern besitzt. Einen ganzen Katalog von Leuten, gegen die er etwas hat. Er hat nichts gegen die Kinder, sondern gegen die Eltern. Lorna und Damien Graham. Neil und Simone Blunt. Rose und Jonathan Bradley. Janice und Cory Costello.«
»Scheiße, und wer sind die?«
»Die Opfer Ihres Sohnes.«
Peter Moon starrte die Bilder lange an. »Sie wollen tatsächlich behaupten, mein Junge soll alle diese Leute angegriffen haben?«
»So könnte man es nennen. Was er mit den Kindern, die er entführt hat, angestellt hat, weiß der Himmel. Ich hab die Hoffnung aufgegeben. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich viel um sie schert, denn sie sind nebensächlich. Er kennt das Leben: Wenn du den Kindern etwas antust, könntest du genauso gut die Eltern umbringen. Und das ist es, was er will. Mit all diesen Leuten.« Caffery setzte sich wieder und wedelte mit der Hand zu den Fotos hinüber. »Sie sind es, die Ihrem Sohn etwas bedeuten. Und sie sind es, mit denen wir uns jetzt beschäftigen. Schon mal was von Viktimologie gehört?«
»Nein.«
»Sie sollten mehr fernsehen, Mr. Moon. Manchmal ermitteln wir in einer Straftat, indem wir die Leute studieren, an denen sie verübt wurde. Meistens, um herauszufinden, wer der Täter ist. In diesem Fall ist das nicht mehr nötig, denn wir wissen es schon. In diesem Fall müssen wir in Erfahrung bringen, warum er diese Leute ausgesucht hat. Das ist sehr wichtig, weil er es wieder tun wird, und zwar bald. Etwas – etwas – im Kopf Ihres Sohnes sagt ihm, er muss es wieder tun. Sehen Sie sich diese Gesichter an, Mr. Moon. Sehen Sie sich die Namen an. Was bedeuten sie Ihrem Sohn? Der da links ist Neil Blunt. Neil arbeitet im Bürgerberatungsbüro. Als ich heute Abend bei ihm war, sagte er, er weiß, dass er ab und zu mal jemanden sauer gemacht hat, und er hat im Dienst auch schon die eine oder andere Drohung von Klienten erhalten. Hat Ted mal etwas mit dem Bürgerberatungsbüro zu tun gehabt?«
»Meine Frau war mal da, nach dem Brand. Aber das ist elf Jahre her.«
»Und seit er wieder draußen ist?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Er arbeitet als Hausmeister. Aber als wir jetzt seine Referenzen überprüft haben, stellte sich heraus, dass sie alle falsch sind. Wie viel Erfahrung hat er als Bauarbeiter?«
»Da ist er gut. Richtig gut. Da macht er Ihnen jedes …«
»Ich habe Sie
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