Verderbnis
Schlafs herauf zu einem Ort, wo die ätzenden Reste der Sorge saßen, kleine Knoten, die er nicht entwirrt hatte, bevor er eingeschlafen war. Die saure Miene, mit der Prody gestern Abend weggefahren war: Der Gedanke daran hatte ihn verfolgt. Flea, die drei Tage Urlaub nahm, um zu klettern. Das klang nicht überzeugend. Und schlimmer noch war die Tatsache, dass Ted Moon sich nach wie vor auf freiem Fuß befand und Martha und Emily nach sechs Tagen immer noch vermisst waren.
Er wachte vollends auf und blieb mit geschlossenen Augen liegen; spürte die Kälte in seinen steifen Gliedern. Myrtle lag zwei Schritte weit entfernt vor der Heizung und roch behaglich nach altem Hund; der Geruch wehte zu ihm herüber. Er hörte den Verkehr auf der Straße, im Korridor redeten Leute, und Handys klingelten. Es war also Morgen.
»Boss?«
Er öffnete die Augen. Der Boden im Büro war staubig. Büroklammern und Papierknäuel hatten sich unter dem Schreibtisch gesammelt. In der offenen Tür standen zwei hübsche weibliche Fußknöchel, die in blank polierten Highheels endeten. Daneben Schuhe und Hosenbeine eines Mannes. Cafferys Blick wanderte nach oben. Turner und Lollapalooza. Beide hielten Papierstapel in den Händen. »Herrgott. Wie spät ist es?«
»Halb acht.«
»Scheiße.« Er rieb sich die Augen, stützte sich auf einen Ellbogen und blinzelte. Myrtle auf ihrem behelfsmäßigen Lager setzte sich gähnend auf und schüttelte sich kurz. Das Büro sah aus wie ein Schlachtfeld, übersät von den Spuren einer durchgearbeiteten Nacht, das Whiteboard war bedeckt mit den Fotos und Notizen, die er studiert hatte: von Sharon Macys Autopsiefotos bis zu den Bildern aus der Küche im Safe House der Costellos von dem zerbrochenen Fenster und den gespülten Kakaobechern auf der Abtropfplatte. Auch sein Schreibtisch bog sich unter Bergen von Papier, verschiedenfarbigen Umschlägen mit Tatortfotos, Stapeln von hastig hingekritzelten Notizen und zahllosen halb leeren Kaffeebechern. Ein Schmelztiegel, aus dem nichts herausgekommen war. Kein Fingerzeig. Kein Hinweis darauf, was Moon als Nächstes plante.
Er rieb sich den steifen Nacken und blinzelte zu Lollapalooza hinauf. »Haben Sie irgendwelche Antworten für mich?«
Sie zog ein missmutiges Gesicht. »Nur neue Fragen. Geht das auch?«
»Kommen Sie rein.« Seufzend winkte er ihnen. »Kommen Sie schon.«
Lollapalooza lehnte sich mit verschränkten Armen an seinen Schreibtisch, die Füße sittsam nebeneinander. Turner drehte
einen Stuhl um, setzte sich im Rodeostil rittlings darauf, legte die Ellbogen auf die Lehne und schaute auf seinen Chef herab.
»Also. Eins nach dem andern.« Offensichtlich hatte Turner auch nicht viel geschlafen. Seine Krawatte saß schief, und sein Haar hatte in letzter Zeit keine Dusche gesehen. Aber er trug bis jetzt noch keinen Ohrring. »Über Nacht haben die Leichensuchhunde der Metropolitan Police Moons kleinen Karnickelbau unter der Garage durchsucht.«
»Und? Oh.« Caffery winkte ab. »Sagen Sie nichts. Ich seh’s Ihnen an. Sie haben nichts gefunden. Und weiter?«
»Moons gerichtspsychiatrisches Gutachten ist gekommen. War heute Morgen in meiner Mail.«
»Er hat geredet? Als er eingesperrt war?«
»Anscheinend konnten sie ihn überhaupt nicht mehr zum Schweigen bringen. Jeder, der länger als eine Sekunde bei ihm stehen blieb, kriegte es ab. Ein Geständnis pro Tag, die ganzen zehn Jahre seiner Sicherheitsverwahrung hindurch.«
Das war wichtig. Caffery setzte sich auf. Mit Mühe verhinderte er, dass der Raum vor seinen Augen verschwamm. »Also? Er hat geredet?«
»Aber es ist so, wie sein Dad sagte. Ted hat Sharon wegen des Brandes umgebracht und wegen Sonjas Tod. Keine Ausflüchte, keine Rechtfertigungen. Alles schwarz und weiß. Die Psychiatrieberichte sagen alle das Gleiche.«
» Fuck . Was ist mit den Macys? Haben Sie die gefunden?«
Turner senkte den Kopf und sah Lollapalooza an. Seine Miene sagte: Du bist dran, Mädel .
Sie räusperte sich. »Okay. Einer meiner Leute hat die Macys heute Morgen um zwei endlich aufgestöbert, als sie aus dem Pub nach Hause kamen. Ich habe eben mit ihnen gefrühstückt.« Sie hob eine Augenbraue. »Nettes Ehepaar. Angenehm kultiviert. Sie wissen schon – Leute, die finden, Autos müssen auf Ziegelsteinen stehen, und Kühlschränke gehören in den Vorgarten. Kann’s mir nur so erklären, dass sie ihre Gäste oft im Freien empfangen. Aber sie haben mit mir gesprochen.«
»Und?«
»Nichts. Nachdem Sharon
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