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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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eine Träne? Sie wusste es nicht. Der Tropfen hing zitternd im Mondlicht, bis er sich löste und mit einem zarten Plink in das Wasser am Boden der Schute fiel.
    Flea ließ die Hand sinken und starrte zu der Luke hinauf. Es war ein Tropfen Flüssigkeit gewesen. Kein Sperma, aber das war es, was sie hatte denken sollen. Er wollte sie quälen. Aber warum die Mühe? Warum brachte er es nicht einfach hinter sich? Ihr Blick wanderte zu dem Mondlicht, das durch den Spalt in der Bootswand fiel, den er mit dem Winkelschleifer dort hineingesägt hatte. Sie glaubte zu wissen, warum. Er tat es, weil er wusste, dass er nicht an sie herankommen konnte.
    Neue Energie strömte durch ihren Körper. Sie stieß sich von der Wand ab.
    »Was machst du da? Schlampe?«
    Sie atmete langsam durch den Mund ein und aus und bewegte sich lautlos auf den Rucksack zu.
    »Schlampe.«
    Er hämmerte wieder auf das Deck – bäng, bäng, bäng  –, aber sie zuckte nicht mehr zusammen. Es stimmte, er kam nicht an sie heran. Sie fing an, Sachen aus dem Rucksack zu holen. Das Kalziumkarbid, die Fallschirmleine, die Feuerzeuge. Sie legte alles auf das Sims unter dem Leinenfach. Es kam darauf an, den Durchlass zwischen Leinenfach und Deck zu versiegeln. Das ginge mit dem blutigen T-Shirt, aber sie musste warten, bis er das Deck verließ. Der Augenblick würde kommen, davon war sie überzeugt. Er würde nicht ewig da oben bleiben. Sie fand die leere Plastikflasche, die er ihr gegeben hatte. Sie schraubte den Deckel ab, tauchte sie ins Wasser und drückte sie immer wieder sanft zusammen, bis sie voll war. Dann hielt sie sie über den Kopf, spritzte das Wasser in das Fach und wiederholte den Vorgang.
    »Was machst du da, Schlampe?« Er rutschte auf der Luke herum. Sie spürte ihn über sich; er bewegte sich wie eine scheußliche Riesenspinne und versuchte zu erkennen, was sie vorhatte. »Sag’s mir, oder ich komme da rein und finde es raus.«
    Sie schluckte. Als sie ungefähr einen Liter Wasser in das Leinenfach gespritzt hatte, schüttelte sie die Flasche aus und schob sie zum Trocknen mit der Öffnung nach unten in die Netztasche ihres Rucksacks. Im Mondlicht fand sie den Meißel und den sechszölligen Nagel wieder, mit dem sie den Grubenstempel hochgedreht hatte. Sie nahm sich Zeit, als sie den Nagel ansetzte. Ein präziser Schlag mit dem Meißel trieb ein Loch in das Plastikgehäuse der Feuerzeuge. Prody lauschte. Sie hörte seinen Atem über sich und stellte sich vor, wie seine kalten Augen sich hin- und herbewegten, um zu sehen, was sie tat, als sie sich vorbeugte und den Inhalt der Feuerzeuge vorsichtig in die leere Wasserflasche laufen ließ.
    Sie richtete sich auf, schüttelte die Flasche und inspizierte ihren Inhalt. Die Feuerzeuge waren voll gewesen, aber viel war es trotzdem nicht – weniger als hundert Milliliter. Es würde genügen, um einen Teil der Fallschirmleine zu durchtränken und in eine Lunte zu verwandeln, die bis in den benachbarten Laderaum reichte. Den Rest würde sie für das Leinenfach opfern müssen, um dem Acetylen die zusätzliche Sprengkraft zu verleihen, die es brauchte.
    » Fuck , du sollst mir sagen, was du da machst, sonst komme ich da rein.«
    Sie schluckte, legte Daumen und Zeigefinger an die Kehle und drückte sie sanft zusammen, damit ihre Stimme nicht zitterte, als sie antwortete. »Na los! Komm doch rein und sieh’s dir an.«
    Einen Moment lang herrschte Stille, als könnte er nicht fassen, was sie da gesagt hatte. Dann fing er an, auf die Luke einzuhämmern, daran zu kratzen und zu zerren, schreiend, fluchend und trampelnd. Sie schaute hoch. Er kann nicht rein, sagte sie sich. Er kann nicht. Ohne die Luke aus den Augen zu lassen, durchwühlte sie den Rucksack nach einem Behälter, in den sie das Feuerzeugbenzin gießen könnte, um es vor dem Wasser im Leinenfach zu schützen. Prody hörte auf mit seinem Geschrei. Keuchend rutschte er an den Rand des Decks und ließ sich in den Kanal fallen. Sie hörte seine Schritte, als er um den Kahn herumging und einen Weg hinein suchte. Er würde keinen finden. Wenn er den Winkelschleifer nicht wieder in Gang brächte oder nach oben kletterte und sich irgendwo ein neues Motorwerkzeug besorgte, würde er hier nicht hereinkommen. Sie würde ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen.
    Sie fand das Plastikformteil, das die Batterien für ihre Lampe enthalten hatte und legte es auf den Sims. Als sie sich nach der Flasche mit dem Feuerzeugbenzin umdrehte, rollte eine Woge von

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