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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Jobs?«, meinte Simone. »Etwas, das mit unserer Arbeit zu tun hat.« Sie sah Jonathan an. »Ich weiß, was Sie tun, Jonathan; es stand in allen Zeitungen. Aber Sie, Rose, was machen Sie?«
    »Ich bin Arztsekretärin. Ich arbeite in einer osteopathischen Gemeinschaftspraxis in Frenchay.« Sie wartete darauf, dass jemand einen Kommentar abgab, aber niemand sagte etwas. Sie lächelte betrübt. »Nicht besonders interessant. Ich weiß.«
    »Damien?«
    »Ich bin bei BMW . Arbeite mich im Verkauf nach oben. Ich sage immer, der Verkauf ist das A und O. Wenn du im Verkauf gut bist, steht dir die Welt offen. Aber du musst ein Jäger sein, und du musst Freude am Blutvergießen haben –« Er brach ab. Alle starrten ihn an. Er ließ sich zurücksinken und hob die Hände. »Na ja«, murmelte er. »Das bin ich. Autoverkäufer. BMW . Am Cribbs Causeway.«
    »Und Sie, Janice? Wo verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt?«
    »In der Verlagsbranche. Ich bin Redakteurin. Inzwischen freiberuflich. Und Cory ist …«
    »Berater für eine Druckerei.« Cory sah niemanden an. »Ich berate sie bei ihren Marketingstrategien. Sage ihnen, wie sie ihr Image grün einfärben können.«
    Simone räusperte sich. »Finanzanalystin. Und Neil arbeitet im Bürgerberatungsbüro in Midsomer Norton. Ist auf Sorgerechtsfragen in Scheidungsfällen spezialisiert. Aber da klingelt bei niemandem etwas, oder?«
    »Nein.«
    »Sorry, nein.«
    »Möglicherweise sehen wir das Ganze falsch.«
    Alle drehten sich um. Rose Bradley saß zusammengesunken in ihrem Sessel, ein bisschen verlegen, ein bisschen störrisch. Sie zog ihre Strickjacke über die Schultern hoch, sodass sie bis zu ihrem Hinterkopf hinaufrutschte; sie sah aus wie eine verschreckte Eidechse, der die Haut zu groß war. Ihre hellblauen Augen spähten unsicher unter den zusammengezogenen Brauen hervor.
    »Wie bitte?«, fragte Simone.
    »Ich sagte, möglicherweise sehen wir das Ganze falsch. Vielleicht kennen wir ihn ja doch.«
    Alle schauten sich an.
    »Aber wir waren uns doch einig, dass wir ihn nicht kennen«, entgegnete Simone. »Keiner von uns hat je von Ted Moon gehört.«
    »Und wenn er es nicht ist?«
    »Wenn er nicht was ist?«
    »Der Entführer. Der Mensch, der das alles verbrochen hat. Ich meine, wir sitzen hier und nehmen an, dass die Polizei recht hat. Dass es Ted Moon ist. Aber was, wenn die Polizei sich irrt?«
    »Aber …«, begann jemand und hielt dann inne. Niemand im Raum sprach, niemand regte sich. Ihre Gesichter waren ausdruckslos. Es dauerte eine ganze Weile, bis dieser Gedanke in ihren Köpfen angekommen war. Einer nach dem andern wandte sich von Rose ab und sah Janice erwartungsvoll an. Genau so schauten Kinder ihre Lehrerin an, wenn sie darauf warteten, dass die Person, die alles im Griff hatte, den Schlamassel in Ordnung brachte, in den sie sich manövriert hatten.

70
    D er Babysitz war auch eins der Geschenke, die wie ein Hagelsturm auf sie heruntergeprasselt waren, als Charlie das Licht der Welt erblickt hatte. Er stammte von Nigels Eltern, war blau und übersät mit eingeprägten gelben Ankern. An diesem kalten Morgen um Viertel nach acht stand er in der Diele auf dem Boden und wartete darauf, dass sie ihn im Wagen festgurtete. Charlies Tasche stand fertig gepackt mit Windeln, Spielsachen und Strampelanzügen zum Wechseln daneben.
    Skye stürzte die dritte Tasse Kaffee hinunter. In ihrem viel zu großen Pullover stand sie in der Küche und starrte das Kondenswasser an der Fensterscheibe an. Auf den Bäumen im Garten lag Reif, und sie spürte die eisige Luft, die durch die Ritzen in den klapprigen Schiebefenstern hereindrang. Sie dachte an die vergangene Nacht. An das offene Fenster, den Mülltonnendeckel. Sie spülte die Kaffeetasse aus und stellte sie auf die Abtropfplatte. Dann drehte sie den Thermostat ein wenig höher und sah nach, ob alle Fenster verschlossen waren. Im Flur hing ihr roter Mantel an einem Haken neben der Haustür, daneben ihre Handtasche. Heute Morgen auszugehen, das bot sich an. Einen Besuch im Büro machen. Nur um bei den Kollegen mit Charlie anzugeben. Warum nicht?
    Ja. Das war absolut naheliegend.

71
    T rotz des Kaminfeuers fror Janice. Ihr Kopf fühlte sich an wie ein Stein, kalt und hart. Alle starrten sie an und erwarteten, dass sie etwas sagte oder tat. Sie verschränkte die Arme, schob die Hände unter die Achseln, damit sie nicht zitterten, und versuchte sich zu sammeln.
    »Vielleicht, äh, vielleicht hat Rose recht.« Sie klapperte mit den

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