Verderbnis
in der Börse. Leute telefonierten im Stehen und schrien quer durch den Raum. Neben all den anderen Fällen, mit denen die MCIU beschäftigt war, hatte der Carjacker ihnen eine Migräne biblischen Ausmaßes beschert. In einer Reihe von Dringlichkeitsbesprechungen hatte Caffery am Morgen die Zuständigkeiten verteilt. Er war personell relativ gut ausgestattet und hatte freie Hand bei der Auswahl seines Teams. Auf seiner Wunschliste standen ein Team von Datenbankexperten aus der Computerabteilung und fünf handverlesene Detectives. Dann wählte er ein Kernteam aus. Zwei Männer, eine Frau. Zusammen besaßen sie ungefähr die Fähigkeiten, die er vermutlich brauchen würde.
Da war Detective Corporal Prody. Ein neuer Mann, ein großer, adrett gekleideter Thirty-Something, der noch nicht lange in Zivil seinen Dienst versah. Er hatte vier Jahre als Verkehrspolizist gearbeitet. Diese Tatsache verbannte ihn, auch wenn ihm das niemand ins Gesicht sagen würde, auf die unterste Stufe der Polizeihierarchie. Aber Caffery wollte ihm eine Chance geben. Der erste Eindruck vermittelte ihm das Gefühl, Prody könnte das Zeug zu einem Polizisten mit ruhiger Hand haben. Außerdem kam er von der Verkehrspolizei. Bei einem Fall, in dem es um Autos ging, war damit ein wichtiger Punkt abgehakt.
Dann gab es Detective Sergeant Paluzzi, die immer sagte, wenn die Jungs im Team sie hinter ihrem Rücken Lollapalooza nennen wollten, wäre es ihr lieber, wenn sie sich die Umstände sparten und sie einfach direkt so anredeten. Und das taten sie auch. Lollapalooza war eine ziemliche Nummer mit ihrer olivfarbenen Haut, ihrem Schlafzimmerblick und ihrer Vorliebe für Highheels. Sie rollte jeden Tag in einem lippenstiftroten Ford Ka an und parkte ihn manchmal frech auf dem inoffiziellen Parkplatz des Superintendent, nur um ihn zu ärgern. Eigentlich hätte Lollapalooza ein Störfaktor im Team sein müssen, aber ihre Arbeit war solide, und Caffery brauchte eine Frau, wenn dieser Fall wirklich eine Wendung zur Pädophilie nehmen sollte, wie Flea Marley es vorausgesagt hatte.
Beim Letzten auf der Liste handelte es sich um Detective Sergeant Turner. Turner war ein alter Hase und ein Ermittler mit wechselndem Erfolg. Er kannte zwei Gangarten: Die Gangart »Interessanter Job« ließ ihn zu einem Arbeitstier werden, das ganze Nächte hindurch unter Strom stand, und die Gangart »Uninteressanter Job« verwandelte ihn in einen trägen Sack, der mit Disziplinarstrafen bedroht werden musste, damit er wenigstens aus dem Bett kam. Turner hatte zwei Kinder, und Caffery wusste, zu welcher Gangart er in diesem Fall neigen würde. Um zehn Uhr an diesem Vormittag war Turner mitten in der Arbeit. Er hatte bereits zwei Opfer früherer Carjacking-Fälle aufgetrieben und ins Büro der MCIU gebracht, wo Caffery sie ihm abnahm. Wahrscheinlich hätten die beiden separat vernommen werden müssen, aber Caffery war bereit, auf die Vorschriften zu pfeifen, wenn ihm das ein paar Stunden Zeitgewinn einbrächte. Er führte die beiden in den einzigen halbwegs schallisolierten Raum im Gebäude – in ein Nebenzimmer am Ende eines Korridors im Erdgeschoss.
»Ich bitte um Entschuldigung.« Er stieß die Tür mit dem Fuß zu und sperrte den Lärm aus, schaltete die flackernden Leuchtstoffröhren ein und legte seine Akten und seinen MP3 -Rekorder auf den Tisch. »Nehmen Sie Platz. Ich weiß, es ist nicht gerade nobel hier.«
Die beiden setzten sich.
»Damien?« Caffery streckte dem jungen Schwarzen, der rechts saß, die Hand entgegen. »Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
»Kein Problem.« Der junge Mann erhob sich halb und schüttelte ihm die Hand. »Hallo.«
Damien Graham hatte die Figur eines professionellen Footballspielers. Er trug eine magentafarbene Lederjacke und Designerjeans. Ein Mackertyp – man sah es schon an der Art, wie er dasaß. Die eine Hand baumelte lässig herab, und den Ärmel hatte er gerade so weit hochgeschoben, dass man die schwere Rolex-Armbanduhr sehen konnte. Seine Knie waren genau im richtigen Abstand gespreizt, um zu zeigen, dass er alles unter Kontrolle hatte. Simone Blunt, die neben ihm saß, war Welten von ihm entfernt. Weiß, Mitte dreißig, blond und von kühler Eleganz, gekleidet wie eine Karrierefrau aus der Upperclass: eine Bluse mit breitem Kragen, Beine in schwarzen Nylons, ein Kostüm mit kurzem Rock, nüchtern und nicht übermäßig sexy. Zu professionell, um zu flirten.
»Und Mrs. Blunt …«
»Bitte – Simone.« Sie
Weitere Kostenlose Bücher