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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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an und gab »Sapperton« ein.
    »Janice, ich hab Sie was gefragt. Was, zum Teufel, ist los?«
    »Ich glaube, das wissen Sie. Man hat es Ihnen gesagt.«
    Das Navi verarbeitete die Eingabe, und eine Straßenkarte erschien auf dem Display. Janice fummelte am Einstellknopf herum und zoomte zurück, um eine bessere Perspektive zu haben.
    »Janice, ich hab keine Ahnung, was Sie vorhaben.«
    »Doch, das haben Sie.«
    »Das kann ich nicht zulassen. Wenn Sie wollen, dass ich bei Ihnen bleibe, müssen Sie mich entführen.«
    »Dann sind Sie jetzt entführt.«
    »Mein Gott.« Nick ließ sich auf den Vordersitz fallen und schlug die Tür zu. Janice legte den Gang ein, löste die Handbremse und fuhr los. Doch im nächsten Moment trat sie hart auf die Bremse. Vor der Motorhaube stand Cory. Seine Augen blickten verzweifelt, und sein Oberkörper hing halb vornüber, als wären ihm Arme und Hände zu schwer geworden. Sie starrte ihn an und begriff nicht, was vor sich ging. Hinter ihm saß Clare in dem schwarzen Auto und schaute wie versteinert in die andere Richtung. Ihre Wangen waren gerötet. Janice begriff: Sie hatten sich gestritten.
    Sie nahm den Gang heraus. Cory kam zur Fahrerseite. Sie ließ das Fenster heruntergleiten und taxierte ihn eine ganze Weile. Betrachtete seine künstliche Sonnenbräune. War er darunter so bleich, wie sie sich fühlte? Sie musterte seinen Anzug: adrett und glatt gebügelt, denn irgendwie fand er Zeit für all das, während sie an sich hinabschauen müsste, um herauszufinden, was sie anhatte. Er weinte. In der ganzen Zeit, seit Emily verschwunden war, hatte er nicht geweint. Nicht ein einziges Mal. Clare hatte auftauchen müssen, um ihn zum Weinen zu bringen.
    »Sie hat Schluss gemacht. Ich weiß nicht, was du ihr gesagt hast, aber sie hat mich weggeschickt.«
    »Das tut mir leid.« Janice sprach mit ruhiger Stimme. Leise. »Es tut mir wirklich leid.«
    Er schaute ihr in die Augen. Seine Lippen bebten leicht. Dann sank sein Kopf nach vorn. Er legte die Hände an die Seite des Wagens und begann zu schluchzen. Janice betrachtete ihn schweigend, sah die kahle Stelle auf seinem Kopf. Sie empfand nichts für ihn. Kein Mitleid, keine Liebe. »Es tut mir leid«, wiederholte sie, und diesmal meinte sie alles: ihn, ihre Ehe und ihr armes kleines Mädchen. Die ganze Welt. »Es tut mir leid, Cory, aber jetzt musst du aus dem Weg gehen.«

75
    D er Regen in der Stadt hatte das Land nordöstlich von Bristol noch nicht erreicht. Ein nicht nachlassender Wind sorgte für einen klaren Himmel und niedrige Temperaturen, sodass noch am Mittag die meisten Felder von Reif bedeckt waren. Cafferys Mondeo mit Turner am Steuer fuhr in hohem Tempo über die kleinen Landstraßen, die zu dem Wald am Thames & Severn Canal führten, in dem Prody Skye Stephensons Allradwagen zurückgelassen hatte. Caffery saß schweigend auf dem Beifahrersitz. Die kugelsichere Weste unter seinem Anzug kniff am Rücken.
    »Der Löwe«, sagte er abwesend. »Das war es, was ich übersehen habe.«
    Turner schaute ihn kurz von der Seite an. »Wie bitte?«
    »Ein Löwe.« Caffery nickte. »Das hätte ich sehen müssen.«
    Turner folgte seinem Blick. Caffery starrte das Emblem auf dem Lenkrad an. »Sie meinen den Löwen von Peugeot?«
    »Prody besitzt einen Peugeot. Ich hab ihn gesehen, als er gestern Abend vom Parkplatz gefahren ist. Und es hat mich an etwas erinnert.«
    »Nämlich?«
    »Man könnte ihn auch für einen Drachen halten, oder? Wenn man eine Frau um die sechzig ist und nicht viel von Autos versteht?«
    »Einen Peugeot mit einem Vauxhall verwechseln?« Turner schaltete den Blinker ein. Sie hatten den Sammelplatz erreicht. »Ja, könnte man.«
    Caffery dachte an die Straßen, die die Einheiten Meile um Meile abgefahren hatten, immer auf der Suche nach einem Vauxhall, während Prody einen dunkelblauen Peugeot fuhr. Ein Irrweg: Sie hatten einen Drachen gesucht und all die Löwen ignoriert, an denen sie vorbeigekommen waren. Hätten sie den Speicherchip aus der Videokamera in dem Laden gehabt, dann hätten sie gewusst, dass es sich um einen Peugeot handelte. Aber Prody hatte sich auch darum gekümmert. Caffery war sicher, dass er wusste, wer der erste Polizist am Tatort gewesen war, der den Kamerachip für die Ermittlungen in dem Raubüberfall herausgenommen und vergessen hatte, das Aufzeichnungsgerät wieder einzuschalten. Und Paul und Clare Prody hatten zehn Jahre in Farrington Gurney gewohnt – ein Zufall, der Caffery entgangen war. Wenn er

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