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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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ihn.«

74
    D raußen regnete es. Die Einfahrt, die von der Hauptstraße zum Parkplatz der MCIU führte, war voll von Fahrzeugen. Auf dem Gehweg wimmelte es von Leuten, von Männern in Anzügen und uniformierten Polizisten. Ein gepanzerter Sprinter-Van stand mit offener Hecktür da. Auf den Wagendächern drehten sich Blaulichter.
    Janice wusste bereits, dass es der MCIU gelungen war, auf Prodys Spur zu kommen; etwa um dieselbe Zeit wie sie und die anderen betroffenen Familien, hatte auch Caffery eins und eins zusammengezählt. Aber als sie jetzt zu viert – Janice, Nick, Cory und Rose Bradley – mit dem Audi vorfuhren, sah sie an den ernsten Gesichtern der Männer, dass noch mehr vorgefallen war. Es hatte etwas Schreckenerregendes, wie die Polizisten sich konzentrierten und in disziplinierten, knappen Sätzen sprachen. Dieser zielstrebige Ernst war das Schlimmste für Janice. Er bedeutete, dass es kein Traum war. Vielleicht bedeutete er, dass man ihn gefunden hatte – und die Mädchen.
    Nick bemerkte es auch. Mit starrer Miene öffnete sie den Sicherheitsgurt. »Warten Sie hier.« Sie stieg aus und ging mit schnellen Schritten auf das Gebäude zu.
    Janice zögerte, aber dann stieg sie ebenfalls aus und folgte Nick über die Straße. Vorbei an den Fahrzeugen, durch das weit offene Tor und auf den Parkplatz. Sie war an einem an der Mauer parkenden schwarzen Wagen fast schon vorbei, als ihr etwas auffiel. Unvermittelt blieb sie stehen und starrte einen Moment lang reglos geradeaus.
    Jemand saß auf dem Rücksitz des Wagens. Eine Frau. Eine Frau mit hellem Haar und einem traurigen, länglichen Gesicht. Clare Prody.
    Janice drehte sich sehr langsam um. Clare schaute sie durch die regennasse Scheibe an. Sie trug eine Wolldecke um die Schultern, als wäre sie aus einem brennenden Haus gerettet worden. In ihrem Blick lag nacktes Entsetzen, als sie sich so plötzlich Corys Frau gegenübersah, Emilys Mutter.
    Janice konnte sich nicht bewegen. Konnte sich nicht abwenden, nicht auf sie zugehen. Sie konnte sie nur anstarren. Es gab nichts zu sagen, gab keinen angemessenen Ausdruck für dieses Gefühl, so jämmerlich im Regen zu stehen. So hoffnungslos. Angestarrt von der Frau, die mit Cory schlief und deren Mann Emily in seiner Gewalt hatte. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie sich so schwach und elend gefühlt.
    Sie senkte den Kopf, hatte keine Kraft mehr, schon das Stehen allein war eine überwältigende Anstrengung. Sie drehte sich um und wollte zum Wagen zurückgehen, als sich ein Fenster des schwarzen Wagens öffnete. »Janice?«
    Sie blieb stehen. Konnte keinen Schritt mehr tun, konnte auch nicht umkehren.
    »Janice?«
    Voller Mühe hob sie das Kinn und drehte den Kopf zur Seite. Clares Gesicht im Auto sah so weiß aus, dass es fast leuchtete. Ihre Miene wirkte verkniffen und schuldbewusst. Sie lehnte sich halb aus dem Fenster und vergewisserte sich mit einem schnellen Blick, dass niemand sie beobachtete. Dann beugte sie sich noch weiter hinaus und flüsterte: »Sie wissen, wo er ist.«
    Janices Mund öffnete sich. Sie schüttelte den Kopf. Verstand nichts. »Was?«
    »Sie wissen, wo er ist. Sie fahren mich jetzt hin. Ich soll nichts sagen, aber ich weiß es.«
    Janice ging einen Schritt zurück, auf den Wagen zu. » Was ?«
    »Er befindet sich irgendwo bei einem Dorf namens Sapperton. Ich glaube, das liegt in den Cotswolds.«
    Janice hatte das Gefühl, dass ihr Gesicht sich ausdehnte und ein zusammengequetschter Teil ihres Kopfes wieder zum Leben erwachte. Sapperton. Sapperton. Sie kannte den Namen. Dort war der Tunnel, in dem die Teams nach Martha gesucht hatten.
    »Janice?«
    Sie hörte nicht mehr zu und rannte zurück zum Audi. Cory stand jetzt mit einem seltsamen Gesichtsausdruck neben dem Wagen. Er sah nicht sie an, sondern Clare, die dort in dem schwarzen Auto saß. Janice blieb nicht stehen. Es war ihr egal. Sie streckte einen Arm nach hinten. »Sie gehört dir, Cory. Dir allein.«
    Sie sprang in den Audi. Rose beugte sich vom Rücksitz nach vorn; ihr Gesicht war eine einzige Frage.
    »Sie haben ihn gefunden.«
    » Was ?«
    »Im Sapperton-Tunnel. Der Kanaltunnel, in dem sie nach Martha gesucht haben. Sie wollen uns da nicht sehen, aber das ist mir egal.« Sie startete den Motor. Der Scheibenwischer begann sich quietschend hin- und herzubewegen. »Wir fahren hin.«
    »Hey.« Die Beifahrertür hatte sich geöffnet, und Nick beugte sich herein. Sie war nass vom Regen. »Was ist los?«
    Janice machte das Navi

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