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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Bewegung; die Polizei hatte ihre Fühler ausgestreckt. Sie würden ihn heute aufspüren. Und dann würden sie auch Flea Marley finden. Das stand für Caffery hundertprozentig fest. Ein junger Detective Corporal hatte das Büro vor einer Stunde verlassen, um ihr Haus unter die Lupe zu nehmen, und das Telefonteam im Nachbarraum holte soeben die gesamte Unterwassersucheinheit aus dem Bett. Aber alle vermuteten, dass die Antwort bei Prody lag.
    »Er hat sich mir gegenüber wie ein Dreckschwein benommen«, sagte Clare hinter seinem Rücken. »Ein Dreckschwein. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich ein blaues Auge hatte.«
    »Ja.« Caffery legte die Finger an die Fensterscheibe und dachte: Du kommst zu uns, Prody. Du kommst. »Schade, dass Sie der Polizei nichts gesagt haben.«
    »Ich weiß. Natürlich sehe ich jetzt ein, wie dumm das war, aber ich habe ja alles geglaubt, was er mir erzählt hat – und die Jungs auch. Wir haben nie gedacht, dass die Polizei uns helfen würde. Das hat er mit seiner Gehirnwäsche bewirkt: Wir dachten, Sie sind so was wie ein Klub. Alle stecken unter einer Decke, und niemals würden Sie sich gegen einen der Ihren wenden. Vor der Polizei hatte ich mehr Angst als vor Paul. Die Jungs auch. Es ist einfach –« Sie brach ab. Einen Moment lang war es still. Dann hörte er, wie sie erschrocken die Luft einsog.
    Er drehte sich um. Sie stierte ins Leere, und ein Ausdruck aufkeimenden Entsetzens lag auf ihrem Gesicht. »Was ist los?«
    »O Gott«, sagte sie beinahe flüsternd. »O mein Gott.«
    »Clare?«
    »Dehydration«, murmelte sie.
    »Dehydration?«
    »Ja.« Sie sah ihn an. Ihre Augen funkelten. »Mr. Caffery, wissen Sie, wie lange es dauert, bis man an Dehydration stirbt?«
    »Das kommt darauf an«, erwiderte er vorsichtig und setzte sich wieder ihr gegenüber. »Auf die Bedingungen. Warum?«
    »Wir hatten einen Streit gehabt. Den größten von allen. Paul hat mich in der Toilette eingeschlossen – in der im Erdgeschoss, die kein Fenster besaß, durch das ich hätte um Hilfe rufen können. Dann schickte er die Jungs zu seiner Mutter und erzählte allen, ich sei mit Freunden in Ferien gefahren.«
    »Weiter«, sagte Caffery. Er spürte, wie sich in seiner Brust etwas löste, das sich dort zusammengekrampft hatte, als er Rose Bradleys Küche betreten hatte. »Weiter.«
    »Und er stellte das Wasser ab. Eine Zeit lang habe ich aus dem Spülkasten getrunken, aber dann hat er auch da den Zufluss gestoppt.« Ihr Gesicht wirkte starr und hart. »Vier Tage hielt er mich so fest. Keine Ahnung, aber ich glaube, ich wäre beinahe gestorben.«
    Caffery atmete langsam ein und aus. Am liebsten hätte er den Kopf auf den Tisch gelegt und laut geschrien, denn er wusste instinktiv, dass Clare recht hatte: Genau das hatte Prody mit Martha und Emily getan. Was bedeutete, dass sie noch leben konnten. Gerade noch. Emily hatte eine gute Chance. Martha … wahrscheinlich nicht. Caffery hatte in einem Fall damals in London mit Ärzten über Dehydration gesprochen, und er wusste, im Gegensatz zu der bekannten Faustregel – ein Mensch könne nur drei Tage ohne Wasser überleben – konnte ein Mensch ohne Wasser noch mehr als zehn Tage leben. Martha war ein Kind, und das würde ihre Chancen verringern, aber wenn er als dummer Bulle den Arzt spielen sollte, würde er sagen, sie hätte immer noch fünf, höchstens sechs Tage. Falls das Schicksal es so wollte.
    Sechs Tage. Er warf einen Blick auf den Kalender. Exakt so lange war sie verschwunden. Sechs Tage, minus sechs Stunden.
    Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Cafferty und Clare starrten es an wie gelähmt. Sogar Myrtle setzte sich auf und spitzte aufmerksam die Ohren. Es klingelte noch einmal. Caffery nahm den Hörer ab und lauschte mit klopfendem Herzen. Dann legte er auf und sah Clare an. Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Skye Stephenson.«
    » Skye ? Die Anwältin? Scheiße .«
    Caffery nahm sein Jackett von der Stuhllehne. »Ich habe eine Aufgabe für Sie.«
    »Sie hat ein Baby. Skye hat ein Baby. Einen kleinen Jungen. Ich habe überhaupt nicht an sie gedacht …«
    »Ich gebe Ihnen eine Begleiterin mit. DC Paluzzi. Sie wird Sie hinfahren.«
    »Mich wohin fahren?« Clare umklammerte die Schreibtischkante, als wollte sie verhindern, dass man sie von hier wegbrachte. Die blaue Decke rutschte herunter und fiel auf den Boden. »Wo soll sie mich hinfahren?«
    »Hinaus in die Cotswolds. Wir glauben zu wissen, wo er ist. Wir glauben, wir haben

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