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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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gekommen war, hatte sie so viel geweint, dass es einem das Herz zerriss. Sie konnte einfach nicht glauben, was ihr da passierte.
    »Mehr fallen mir nicht ein.« Ihr Blick war starr auf die Namen gerichtet, die auf dem Whiteboard hinter seinem Rücken standen. Ihre Lippen bebten. »Wirklich nicht.«
    »Das macht nichts. Setzen Sie sich nicht unter Druck. Das kommt schon.«
    Clare hatte eine umfassende Liste aller Personen aufgestellt, die ihr eingefallen waren. Jeder, den ihr Mann in seine entsetzliche Vendetta einbeziehen könnte, stand darauf. Ein paar dieser Namen kannte das Team schon, andere noch nicht. Weiter hinten im Korridor war ein ganzer Raum voller Polizisten damit beschäftigt, sie hastig durchzuarbeiten. Sie setzten sich mit den örtlichen Polizeirevieren in Verbindung und gaben telefonische Warnungen durch. Die MCIU war so angespannt wie nie zuvor, denn es gab niemanden, der nicht felsenfest davon überzeugt war, dass Prody wieder zuschlagen würde. Ihre einzige Hoffnung, das zu verhindern, bestand darin, dass sie sein nächstes Opfer rechtzeitig identifizierten. Caffery, der in seiner Wut glaubte, Prody intensiver zu spüren als alle andern im Gebäude, vermutete, dass er bald zuschlagen würde. Sehr bald sogar. Vielleicht schon heute früh.
    »Sie hatten Glück.« Clares Blick war von der Namenliste zu den Fotos gewandert. Sie betrachtete Neil und Simone Blunt sowie Lorna und Damien Graham. »Großes Glück.«
    »Er hat sie glimpflich davonkommen lassen.«
    Sie lachte trocken und ohne Hoffnung. »So ist Paul. Er ist sehr präzise. Die Strafe entspricht immer dem Verbrechen. Wenn Sie ihn wirklich wütend machen, wird es schlimm. Aber er war nicht so böse auf Alyshas Mum und auf Neil …« Sie blinzelte, um den Namen zu lesen. »Auf Neil Blunt. Ich glaube, er hat sich im Bürgerberatungsbüro vorgestellt; ich weiß es nur nicht mehr. Ich erkenne das Gesicht, aber seinen Namen kannte ich nicht. Aber ich erinnere mich an diesen Tag, denn danach wartete Paul draußen auf mich. Er drohte, mich umzubringen.« Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie ihre eigene Dummheit immer noch nicht fassen. »Mir ist das alles entgangen. Jonathan Bradley war Roberts und Joshs Schulleiter . Die Jungs und ich sind sogar nach Oakhill gefahren, als Martha gekidnappt worden war, und haben Blumen vor das Haus gelegt, und trotzdem habe ich den Zusammenhang nicht gesehen.«
    »Er ist sehr, sehr clever, Clare. Machen Sie sich keine Vorwürfe.«
    » Sie haben es doch gewusst. Sie sind darauf gekommen.«
    »Ja, aber ich hatte auch Hilfe. Außerdem bin ich Polizist. Ich soll Zusammenhänge erkennen.«
    Caffery wünschte, er könnte so tun, als hätte er einen höchst raffinierten Polizistentrick angewandt, aber so war es nicht. Es war ein schlichter Anruf aus dem Krankenhauslabor gewesen, eine Routineangelegenheit, die dafür gesorgt hatte, dass die Rädchen in seinem Kopf plötzlich ineinandergriffen. Paul Prody hatte immer noch nicht sein Hemd zur Untersuchung ins Labor gebracht. Die Techniker dort hatten sämtliche Tests auf Inhalate durchgeführt und fragten sich jetzt, ob der Entführer vielleicht ein oral zu verabreichendes Sedativum benutzt hatte. Prodys Mageninhalt hätte ihren Pipetten und Reagenzgläsern ein neues Betätigungsfeld eröffnet. Nach diesem Anruf hatte Caffery ständig daran denken müssen, wie sauber Janices Mund gestern ausgesehen hatte: rosig und frei von Krusten. Beunruhigend. Und dann war ihm klar geworden, was ihn an dem Foto der Küche im Safe House gestört hatte: Es war die Reihe der Becher auf der Abtropfplatte. Paul Prodys letzte Handlung in diesem Haus hatte darin bestanden, dass er Kakao für die Familie gemacht hatte: für Janice, ihre Mum und Emily.
    Caffery stand auf, ging zum Fenster, vor dem Myrtle auf ihrer Decke lag, und schaute hinaus in den fahlen Himmel. Er hatte auf der Herrentoilette eine kurze Katzenwäsche mit Seife aus dem Spender und Heißluft aus dem Händetrockner einschieben und sich mit dem im Aktenschrank liegenden Wegwerfrasierer rasieren können. Aber sein Anzug sah zerknittert aus, und er fühlte sich immer noch schmutzig – als wäre Paul Prody unter seine Haut gekrochen. Es war wie das Warten auf ein Gewitter: Man wusste nicht, wo es sich entladen würde. Aber er spürte Prody da draußen wie ein Vibrieren auf der Haut, fühlte, wie er sich an diesem regnerischen Wintertag leichtfüßig durch die Stadt und über das Land bewegte. Schon waren da draußen Dinge in

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