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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Mädchen, das seit zwei Tagen Entzug macht, spaziert eines Nachmittags aus der Klinik, und ehe man sich’s versieht – ta-taaa, ist es weg. Ist einfach …«, er zuckte ein wenig verlegen mit den Achseln, »… interessant.«
    Caffery musterte ihn. Sechs Monate zuvor hatte der Fall Misty Kitson einiges Aufsehen erregt und seiner Einheit ernsthafte Kopfschmerzen bereitet. Sie war ein bisschen prominent, die Ehefrau eines Fußballspielers, und sehr hübsch. Die Medien waren darüber hergefallen wie die Hyänen. Viele Kollegen im Team fanden das aufregend. Aber als sie nach drei Monaten immer noch mit leeren Händen dastanden, war der Lack allmählich ab, und die Peinlichkeiten begannen. Inzwischen köchelte der Fall auf Sparflamme. Er lag noch in der Revisionsabteilung, und von dort kamen immer mal wieder Reklamationen und periodische Empfehlungen zur MCIU . Die Presse hatte das Interesse auch noch nicht verloren, von vereinzelten promigeilen Cops einmal abgesehen. Aber den meisten bei der MCIU wäre es am liebsten gewesen, wenn sie den Namen Misty Kitson nie gehört hätten. Deshalb war Caffery überrascht, dass Prody aus eigenem Antrieb zur Revisionsabteilung spaziert war. Sich seinen Einsatzplan selber schrieb, als wäre er schon seit Jahren hier, nicht erst seit zwei Wochen.
    »Damit das klar ist, Paul.« Er nahm die Akte vom Schrank. »Sie wollen nur dann immer noch wissen, was aus Misty Kitson geworden ist, wenn Sie für die Medien arbeiten. Sie arbeiten aber nicht für die Medien, oder?«
    »Wie bitte?«
    »Ich sagte, Sie arbeiten nicht für die Medien, oder?«
    »Nein. Ich meine, ich bin …«
    »Sie sind Polizist. Ihre offizielle Stellungnahme könnte vielleicht lauten: ›Wir haben die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen‹, aber die Wahrheit hier drinnen« – er tippte sich an die Schläfe –, »die Wahrheit ist: Wir sind weitergegangen. Die Einheit hat den Deckel auf dem Fall Kitson zugeschraubt. Es ist vorbei. Zu Ende.«
    »Aber …«
    »Aber was?«
    »Seien Sie ehrlich. Sind Sie nicht neugierig?«
    Caffery brauchte nicht neugierig zu sein. Er wusste genau, wo Misty Kitson war. Er wusste sogar ungefähr, welchen Weg sie genommen hatte, als sie die Klinik verließ, denn er war diesen Weg selbst gegangen. Er wusste auch, wer sie getötet hatte. Und wie. »Nein«, sagte er. »Selbstverständlich nicht.«
    »Nicht mal ein bisschen?«
    »Nicht mal ein bisschen. Ich habe hier mit diesem Carjacker-Fall einen akuten Brand zu bekämpfen. Und ich benötige alle Mann an Deck. Ich kann es nicht gebrauchen, dass meine Leute zum Revisionsteam spazieren und ›mal kurz in alten Akten blättern‹. Also«, er ließ den Ordner auf Prodys Schreibtisch fallen, »bringen Sie das zurück, oder soll ich es tun?«
    Prody schwieg und starrte die Akte an. Es war lange still, und Caffery spürte, dass der Mann Mühe hatte, nicht zu widersprechen. Am Ende schluckte er seinen Widerspruch hinunter. »Okay, von mir aus. Ich mach’s.«
    »Gut.«
    Caffery ging hinaus, verärgert und genervt. Er schloss die Tür leise, statt sie zuzuschlagen, wie er es gern getan hätte. Turner stand vor seinem Zimmer und wartete, als Caffery den Korridor entlangkam. »Boss?« Er hielt ein Blatt Papier in der Hand.
    Caffery blieb wie angewurzelt stehen und blickte Turner durchdringend an. »Wenn ich Ihr Gesicht sehe, Turner, würde ich sagen, mir wird nicht gefallen, was Sie mir erzählen wollen.«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    Er hielt ihm das Blatt hin. Caffery fasste es mit Daumen und Zeigefinger. Aber etwas hinderte ihn daran, es Turner aus der Hand zu nehmen. »Erzählen Sie’s mir.«
    »Wir haben einen Anruf von den Jungs in Wiltshire bekommen. Sie haben den Yaris der Bradleys gefunden.«
    Caffery packte das Papier fester. Aber er zog immer noch nicht daran. »Wo?«
    »Auf einem Brachfeld.«
    »Und ohne Martha. Stimmt’s?«
    Turner antwortete nicht.
    »Wenn sie nicht drin ist«, erklärte Caffery, und seine Stimme klang ruhig, »bedeutet das nicht, dass sie nicht noch auftaucht.«
    Turner hustete verlegen. »Äh – lesen Sie das mal zuerst, Boss. Wiltshire hat es uns gefaxt. Ihre Tatortanalytiker bringen uns das Original persönlich.«
    »Was ist das?«
    »Ein Brief. Er lag vorn auf der Ablage, eingewickelt in ein paar Kleidungsstücke von ihr.«
    »Was für Kleidungsstücke?«
    »Äh …« Turner seufzte tief.
    »Was?«
    »Ihre Unterwäsche, Boss.«
    Caffery starrte das Papier an. Seine Finger brannten. »Und was steht da?«
    »O Gott.

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