Verderbnis
gelassen. Noch nie.
»Sie sind also nicht dabei?«
»Tut mir leid. Alles hat Grenzen.«
Sie klappte den Mund zu, warf einen Blick über die Schulter zu der Erdwand, drehte sich wieder zu ihm um und zuckte die Achseln, ohne ihm in die Augen zu sehen. »Na schön.« Sie nahm ihm das Kabel aus der Hand und steckte es wieder in das Sprechfunkgerät.
»… sofort heraus«, sagte Cafferys Stimme. »Wenn Sie da weitermachen, schalte ich Ihren unmittelbaren Vorgesetzten ein.«
»Er sagt, Sie sollen rauskommen«, wiederholte der Officer am Funkgerät tonlos. »Sofort. Er sagt, wenn Sie weitermachen, holt er Inspector …«
»Danke.« Sie beugte sich über das Sprechfunkgerät und sprach laut und deutlich. »Ich hab’s gehört. Sagen Sie Mr. Caffery, ein Officer kommt heraus. Er wird das Boot mitbringen. Und inzwischen …«, sie zog das kleine Kehlkopfmikrofon aus der Reißverschlusstasche am Trockenanzug und legte es sich um den Hals, »… ich schalte auf VOX , okay? Kann sein, dass der Blickkontakt zum Sprechfunk abbricht.«
»Verdammt, was geht in Ihrem Kopf vor?«, schrie Caffery.
Sie summte leise vor sich hin und blendete seine Stimme aus. Wenn sie über die Einsturzstelle hinwegkommen würde, wenn sie sichergestellt hätte, dass dies wirklich das andere Ende des Einbruchs und nicht eine zweite, kleinere Stelle war, und wenn sie vielleicht etwas gefunden hätte, das sie näher zu Martha führte, dann würde er schon den Mund halten. Ihr vielleicht sogar danken.
»Nee«, brummte sie vor sich hin. »Sich bedanken? Jetzt träumst du.«
»Was haben Sie gesagt?«
»Nichts«, sagte sie. »Hab nur versucht, das Kehlkopfmikro zu öffnen.«
Er antwortete nicht, aber ohne ihn zu sehen, wusste sie, was er tat. Er würde bedauernd den Kopf schütteln, als wollte er sagen: Ich bin doch ein vernünftiger Mann. Was habe ich nur an mir, das mich zum Magneten für alle Irren dieser Welt macht?
Mit angewidertem Gesichtsausdruck hielt Wellard das Boot fest. Sie versuchte nicht, seinen Blick auf sich zu lenken, als sie den Spaten aus der elastischen Schlaufe zog, in der er steckte. Sie hatte das Gefühl, über diesen Augenblick würden sie nie wieder sprechen. Mit dem Spaten und ihrer übrigen Ausrüstung watete sie auf den Erdrutsch zu. Dann fing sie an hinaufzuklettern. Die Bleicherde bröckelte unter ihrem Gewicht, und mit jedem Schritt sank sie ein. Sie musste ihre Ausrüstung vor sich hinaufwerfen; hoffentlich blieb sie da liegen, wo sie landete. Es dauerte drei Minuten, bis sie, halb kriechend, halb kletternd, den oberen Rand des Erdrutsches und die Tunneldecke erreicht hatte. Sie keuchte, hörte aber nicht auf, sondern begann gleich zu graben, stieß den Spaten in den schweren Lehm und hörte, wie er hinter ihr hinunterrutschte und in den Kanal fiel.
Sie arbeitete seit fünf Minuten, als Wellard neben ihr auftauchte. »Sie sollten inzwischen schon wieder halb draußen sein.« Sie musste sich verrenken, um einen Blick hinunter auf das Zodiac-Schlauchboot zu werfen, das immer noch im schwarzen Wasser lag. »Was tun Sie hier?«
»Wie sieht’s denn aus?«
»Sie kommen nicht mit.«
»Nein. Aber ich kann graben. Das zumindest brauchen Sie nicht allein zu machen.«
Sie ließ zu, dass er den Spaten nahm, und beobachtete ihn ein paar Minuten lang bei der Arbeit. Sie dachte an seine Worte: Ich hab eine Frau und Kinder zu Hause, und Sie haben nicht das Recht – einfach nicht das Recht … Sie war müde. So müde.
»Okay.« Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Sie können jetzt aufhören. Hören Sie auf.«
Sie lehnten sich zurück und musterten das Loch, das er gegraben hatte.
»Nicht sehr groß«, stellte Wellard fest.
»Groß genug.«
Sie zog die kleine Maglite-Lampe aus dem Halfter an ihrem Trockenanzug, kroch auf dem Bauch ein kleines Stück weit in das Loch und schob die Lampe vor sich her.
»O ja«, flüsterte sie, als sie erkannte, was sie da sah. »Das ist gut. Sehr gut sogar.«
»Was?«
Sie stieß einen leisen Pfiff aus. »Ich hatte recht.« Sie zog sich aus dem Loch zurück. »Dahinter befindet sich noch eine Kammer.« Sie schob die kleine Lampe wieder in ihr Halfter und legte den Schutzhelm mit der Lampe und das Gaswarngerät ab.
Wellard beobachtete sie. »Sie selbst haben uns eingeschärft, diese Dinger niemals abzulegen.«
»Ja, und jetzt nehme ich alles zurück. Ich komme damit nicht durch das Loch.« Sie kämpfte mit dem Dräger-Kreislaufatemgerät.
»Aber das nicht auch noch. Das kann ich nicht
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