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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Knochen, Fleischfetzen, angenagte Tierköpfe. Sie dachte an die Briefe des Entführers: …habe ich in dieser Abteilung alles NEU GEORDNET . Jetzt sieht sie viel besser aus … Mit der Stahlkappe ihres Stiefels stocherte sie in dem Müll herum. Ihr Fuß berührte Steine und alte Konservendosen, dann etwas Großes. Sie schob die Hand hinein und zog es heraus. Es war eine Pflugschar von einem altertümlichen Pflug. Lag hier wahrscheinlich schon seit Jahren. Sie ließ sie fallen.
    »Mein Gott, hoffentlich finden wir die arme Kleine nicht unter all dem hier.« Sie wischte sich am Bootsrand den Schleim von den Handschuhen und spähte nach vorn in die Dunkelheit. Wieder spürte sie, wie Trauer und Angst langsam in ihr hochkrochen, ganz so wie zwei Tage zuvor bei dem Gedanken daran, wie es für Martha sein musste. »Ich möchte so etwas nicht durchmachen müssen. Nicht mit elf Jahren. In keinem Alter. Es ist einfach nicht richtig.«
    Sie warf einen Blick auf die Anzeige an ihrem Gasdetektor: Die Luft war immer noch sauber und es deshalb ungefährlich, eine stärkere Lampe einzuschalten. Sie stemmte die große HID -Lampe aus dem Boot, hielt sie hoch und legte den Schalter um. Mit einem lauten W uuummp erwachte das Gerät zum Leben, und es knisterte noch ein paar Augenblicke lang, während das Licht immer heller wurde. In diesem blauweißen Flutlicht wirkte der Tunnel noch gespenstischer, und Schatten hüpften hin und her, als Flea sich bemühte, die Lampe ruhig zu halten. Neben ihr betrachtete Wellard mit ernstem, blassem Gesicht, was da vor ihnen lag.
    »Ist es das?«
    Das Licht blinkte auf dem Wasser vor ihnen. Da war nichts – nur das Wasser, die Seitenwände und ungefähr fünfzig Meter vor ihnen eine unüberwindbare Barriere. So viel Bleicherde hatte sich aus der Decke gelöst und war in den Kanal gestürzt, dass der Tunnel ausgefüllt und blockiert war.
    »Ist das der Einbruch?«, fragte Wellard. »Sind wir schon da?«
    »Keine Ahnung.« Sie nahm das Messgerät auf und studierte es. Die Ingenieure der Stiftung schätzten, dass der Einbruch ungefähr eine Viertelmeile vom östlichen Portal entfernt begann. Sie waren noch nicht ganz so weit, aber es konnte sein, dass es sich hier um das andere Ende handelte. Sie stemmte sich gegen das Schlauchboot und schob es weiter durch das schleimige Wasser. Als sie an dem Lehmhaufen ankamen, leuchtete sie ihn bis zur Decke hin ab und ließ den Lichtstrahl dann an der Berührungslinie entlangwandern.
    »Da ist keine Sonde«, murmelte sie.
    »Na und? Wir wussten doch, dass die Sonde wahrscheinlich nicht ganz durchgegangen ist. Ich glaube, das hier ist das andere Ende. Kommen Sie.« Er fing an, das Zodiac-Boot in die Richtung zurückzuschieben, aus der sie gekommen waren. Nach ein paar Schritten merkte er, dass Flea nicht mitkam. Sie stand wie angewurzelt da, hielt die Lampe umklammert und spähte zum oberen Rand des Einbruchs.
    Er atmete tief aus. »O nein, Sarge. Ich hab keine Ahnung, was Sie jetzt denken, aber lassen Sie uns einfach von hier verschwinden.«
    »Kommen Sie. Einen Versuch ist es wert. Oder?«
    »Nein. Das hier ist das Ende des Erdeinbruchs. Auf der anderen Seite ist nichts. Können wir jetzt einfach …«
    »Na los.« Sie zwinkerte ihm zu. »Ich dachte, Sie haben gesagt, der Arbeitssicherheitsbeauftragte hat Sie nicht unter seiner Fuchtel. Nur dieses letzte Stückchen. Mir zuliebe.«
    »Nein, Sarge. Hier ist Schluss. Ich gehe nicht weiter.«
    Sie holte tief Luft und stieß sie in einem langen Seufzer wieder aus. Einen Moment lang stand sie da und ließ den Strahl der HID -Lampe über die Erdmassen wandern. Dabei beobachtete sie ihn aus dem Augenwinkel.
    »Hey«, zischte sie dann. »Was war das?«
    »Was?« Wellard sah sie stirnrunzelnd an. »Was haben Sie gehört?«
    »Sschh.« Sie legte einen Finger an den Mund.
    »Sarge?« Das Sprechfunkgerät erwachte, und sie hörten die Stimme des Officers am Ende des Tunnels. »Alles okay?«
    »Sschh. Still.«
    Niemand sprach. Flea ging ein paar Schritte weiter. Der Lichtstrahl tanzte im Nichts, berührte tropfende Wände und die seltsam buckligen Konturen der herabgebrochenen Lehmklumpen, die aus dem Wasser ragten wie die gewölbten Rücken irgendwelcher Tiere. Sie blieb stehen, drehte sich zur Seite und legte den Kopf zurück, als könnte sie dann besser hören. Wellard ließ das Boot los und kam langsam durch das Wasser heran. Er achtete darauf, dass seine Stiefel kein Geräusch machten. »Was ist?« Er formte die Worte mit

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