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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Augen müde. »Tatsächlich?«
    »Warum sind Sie nicht herausgekommen, als ich es Ihnen gesagt habe?«
    Sie antwortete nicht. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, fing sie an, den nassen Lehm zu entfernen, der in dicken Klumpen an den Gurten ihres Geschirrs hing. Das Gaswarn- und das Atemgerät reichte sie einem Mitglied ihres Teams zum Säubern. Caffery beugte sich tiefer hinunter, damit die Reporter nicht hören konnten, was er sagte. »Sie haben uns allen hier vier Stunden Zeit gestohlen – und wofür?«
    »Ich dachte, ich hätte etwas gehört. Da war ein Hohlraum zwischen zwei Einsturzstellen. In dem Punkt zumindest hatte ich ja recht, oder? Sie hätte da drin sein können.«
    »Was Sie getan haben, war illegal, Sergeant Marley. Die Missachtung von Fahndungsparametern, die im Einklang mit den Gesundheits- und Arbeitssicherheitsbestimmungen stehen, ist formal betrachtet ein Rechtsbruch. Wollen Sie den Chief Constable auf der Anklagebank sehen, ja?«
    »Die Einsätze meiner Einheit gehören statistisch gesehen zu den gefährlichsten bei der gesamten Polizei. Aber in den letzten drei Jahren ist kein Einziger meiner Leute zu Schaden gekommen. Nicht in der Dekompressionskammer, nicht bei Notfalleinsätzen. Es gab nicht mal einen abgebrochenen Fingernagel.«
    »Sehen Sie, und das… «, er stieß mit dem Zeigefinger in ihre Richtung, »… das , was Sie da gerade gesagt haben, ist genau das , worum es Ihnen heute Vormittag ging, glaube ich. Um Ihre Einheit. Sie haben hier eine Paradenummer für Ihre beschissene Einheit …«
    »Das ist keine beschissene Einheit.«
    »Ist es doch. Sehen Sie sie doch an. Sie ist im Eimer .«
    Die Kugel war unterwegs, ehe ihm klar war, dass er durchgeladen hatte. Er sah sie ganz deutlich. Sah, wie sie ihr Ziel traf, wie sie Haut und Knochen durchschlug, sah, wie der Schmerz hinter ihren Augen aufblitzte. Sie ließ ihr Geschirr fallen, reichte einem Mann aus ihrer Einheit Helm und Handschuhe, kletterte auf den Treidelpfad und ging zielstrebig zum Van der Taucher.
    »Herrgott.« Caffery bohrte die Hände in die Taschen, biss die Zähne zusammen und hasste sich selbst. Als sie in den Wagen gestiegen war und die Tür geschlossen hatte, wandte er sich ab. Prody stand oben an der Brüstung über dem Tunnelportal und glotzte ihn an.
    » Was ?« Wieder stieg eiskalter Zorn in ihm auf. Es wurmte ihn noch immer, dass Prody im Fall Kitson herumschnüffelte. Vielleicht wurmte es ihn noch mehr, dass der Kerl genau das tat, was er selbst, Caffery, auch tun würde. Fragen stellen, wo es nicht erwünscht war. Quer denken. »Was, Prody? Was ist los?«
    Prody klappte den Mund zu.
    »Ich dachte, Sie zaubern Videomaterial aus Überwachungskameras herbei. Stattdessen machen Sie eine Kaffeefahrt in die Cotswolds.«
    Prody murmelte etwas – vielleicht ein »Sorry« –, aber das interessierte Caffery nicht. Er hatte genug. Genug von der Kälte und den Medien und dem Benehmen seiner Leute.
    Er suchte in der Tasche nach seinem Schlüssel. »Fahren Sie zurück ins Büro, und nehmen Sie Ihre Freunde mit. Sie sind hier ungefähr so willkommen wie eine Kakerlake im Salat. Wenn das noch mal vorkommt, fliegt ein kleines Vögelchen zum Superintendent.« Brüsk wandte er sich ab und stieg die Stufen zum Dorfanger hinauf, den sie als Sammelpunkt benutzten. Dabei knöpfte er sich den Regenmantel zu. Der Platz war fast menschenleer; nur im Garten eines der Häuser stopfte ein Mann in einem zerrissenen Pullover Laub in eine große Mülltonne. Als Caffery sicher war, dass niemand ihm gefolgt war, öffnete er die Tür des Mondeo und ließ Myrtle heraus.
    Sie spazierten unter eine Eiche; das welke Laub, das noch an den Zweigen hing, raschelte im Wind. Der Hund hockte sich unsicher hin, um zu pinkeln. Caffery blieb daneben stehen, schob die Hände in die Taschen und schaute zum Himmel. Es war bitterkalt. Auf der Fahrt hierher hatte er einen Anruf aus dem Labor bekommen. Die DNA des Milchzahns entsprach der von Martha. »Es tut mir leid«, sagte er leise zu der Hündin. »Ich hab sie immer noch nicht gefunden.«
    Myrtle schaute ihn mit traurigen Augen an.
    »Ja, du hast mich verstanden. Ich hab sie immer noch nicht gefunden.«

24
    D ie Nacht, in der Thom Misty Kitson getötet hatte, war klar und warm gewesen. Der Mond hatte am Himmel gestanden. Er war auf einer abgelegenen Landstraße unterwegs gewesen, als es passierte. Es gab keine Zeugen, und nach dem tödlichen Unfall hatte er die Leiche in den Kofferraum gestopft.

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