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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Wagen hinter ihr hupte wie erwartet. Jemand schrie.
    »Scheiße, Scheiße!«
    »Du sollst dieses Wort nicht sagen, Mummy!«
    Am Ende einer Parkbucht hinter dem Zebrastreifen entdeckte sie einen halben Platz. Sie fuhr los, bog in die Lücke und öffnete das Fenster. Dann hängte sie die Tasche hinaus, damit der Kaffee ablaufen konnte. Es handelte sich um eine große Thermosflasche, und es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie leer war – als hätte jemand einen Hahn aufgedreht. Wieder ertönte eine Hupe. Diesmal war es der Wagen auf dem Parkplatz vor ihr. Anscheinend konnte er nicht weit genug zurücksetzen, um aus der Lücke zu fahren, obwohl hinter ihm immer noch mindestens ein Meter Platz war.
    »Ich mag diesen Krach nicht, Mummy.« Emily hielt sich die Ohren zu. »Ich mag das nicht.«
    »Ist schon gut, Baby. Sschh.«
    Janice legte krachend den Rückwärtsgang ein und ließ den Audi ein winziges Stück zurückrollen. Sofort klopfte jemand an das Heckfenster, und Janice schrak zusammen. Rap, tap, tap. Rap, tap, tap .
    » Mummy !«
    »Hey!«, rief eine Stimme. »Sie stehen auf einem Zebrastreifen. Hier sind Kinder unterwegs.«
    Der Wagen vor ihr fuhr heraus und fädelte sich in den Verkehr ein, sodass Janice auf dem frei gewordenen Platz parken konnte. Sie stellte den Motor ab und ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken. Die Frau, die sie angeschrien hatte, stand jetzt am Beifahrerfenster und klopfte hart gegen die Scheibe. Es schien eine der Mütter zu sein, die ihre Kinder von der Schule abholten. Sie war wütend. »Hey. Weil Sie ein dickes Auto fahren, haben Sie noch lange nicht das Recht, auf einem Zebrastreifen zu parken, ja?«
    Janices Hände zitterten. Verdammt, das alles war furchtbar. Es war acht Minuten vor vier, und um vier würde Cory sich entweder mit Clare treffen, oder Clare würde erscheinen, um sich mit ihm zu treffen. Mit Kaffee bekleckert konnte Janice nicht in seinem Büro aufkreuzen, und wie sollte sie sich rechtfertigen, wenn sie ohne den Kaffee käme? Und Emily – die arme kleine Emily – weinte sich die Augen aus und verstand nichts von alldem.
    »Sehen Sie mich an, Miststück. So einfach kommen Sie mir nicht davon.«
    Janice hob den Kopf. Die Frau war massig und hatte ein rotes Gesicht. Sie trug einen schweren Tweedmantel und eine von diesen nepalesischen Strickmützen, die man in letzter Zeit auf jedem Straßenmarkt erwerben konnte. Sie war umringt von Kindern mit den gleichen Mützen. »Miststück.« Sie schlug mit der flachen Hand gegen das Fenster. »Benzinsaufendes Miststück.«
    Janice atmete ein paarmal tief durch und stieg aus. »Es tut mir leid.« Sie ging um den Wagen herum zum Bordstein, stellte die tropfende Tasche auf den Gehweg und blieb vor der Frau stehen. »Ich bin nicht absichtlich auf den Zebrastreifen gefahren.«
    »Wenn Sie sich so einen Wagen anschaffen, können Sie sich wahrscheinlich den Fahrunterricht nicht mehr leisten.«
    »Ich habe doch gesagt, es tut mir leid.«
    »Es ist unglaublich. Die Schule kann sich noch so viel Mühe geben, uns zu motivieren, dass wir zu Fuß nach Hause gehen. Die selbstsüchtigen Schweine dieser Welt lassen sich einfach nichts vorschreiben.«
    »Hören Sie, ich habe gesagt, es tut mir leid. Was wollen Sie noch? Blut?«
    »Es wird noch Blut fließen. Das Blut meiner Kinder , wenn ich Leute wie Sie sehe. Wenn Sie sie nicht mit Ihrem Brötchenpanzer überfahren, dann werden Sie sie ersticken oder ertränken in all dem Scheiß, den Sie in die Atmosphäre blasen.«
    Janice seufzte. »Okay. Ich gebe auf. Was wollen Sie? Einen Boxkampf?«
    Die Frau lächelte ungläubig. »Oh, das ist wirklich typisch für Ihre Sorte. Das würden Sie vor den Kindern tun, was?«
    »Ehrlich gesagt … ja, das würde ich tun.« Janice riss sich die Jacke herunter, schleuderte sie auf den Kofferraumdeckel des Audi und kam auf den Gehweg. Die Kinder stoben auseinander, prallten wieder zusammen, halb kichernd, halb in Panik.
    Die Frau wich in den Eingang des nächsten Ladens zurück. »Sind Sie verrückt?«
    »Ja. Ich bin verrückt. Ich bin verrückt genug, um Sie umzubringen!«
    »Ich rufe die Polizei.« Die Frau hielt die Hände vors Gesicht und drückte sich in den Ladeneingang. »Ich – ich rufe die Polizei.«
    Janice packte sie am Mantelaufschlag und rückte ihr auf den Leib. »Jetzt hören Sie mal zu.« Sie schüttelte die Frau. »Ich weiß , wie es aussieht. Ich weiß , wofür Sie mich halten, aber das bin ich nicht. Ich habe mir dieses Auto nicht

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