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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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ausgesucht. Das hat mein beschissener Mann getan …«
    »Reden Sie nicht so vor meinen …«
    »Mein beschissener Mann wollte ein beschissenes Statussymbol, und ich war noch blöd genug, das verdammte Ding zu bezahlen . Und zu Ihrer Information: Ich gehe mit meiner Tochter jeden Tag zu Fuß zur Schule und wieder zurück. Wir gehen zu Fuß, und dieses blöde Ungetüm von einem Auto hat nach einem Jahr erst zweitausend Meilen auf dem gottverdammten Tacho, und im Übrigen kann ich Ihnen sagen, ich habe heute einen sehr , sehr schlechten Tag. Also.« Sie stieß die Frau in den Eingang zurück. »Ich habe mich entschuldigt. Werden Sie sich jetzt auch entschuldigen?«
    Die Frau starrte sie an.
    »Na?«
    Die Frau schaute nach rechts und links, um zu sehen, ob ihre Kinder in Hörweite waren. Ihr Gesicht war überzogen von winzigen geplatzten Äderchen, als hätte sie ihr ganzes Leben in eiskaltem Wetter verbracht. Wahrscheinlich keine Zentralheizung zu Hause. »Um Gottes willen«, murmelte sie, »wenn es Ihnen so wichtig ist, dann entschuldige ich mich. Aber Sie müssen mich auf der Stelle loslassen, damit ich meine Kinder nach Hause bringen kann.«
    Janice starrte ihr noch einen Moment lang in die Augen. Dann ließ sie mit geringschätzigem Kopfschütteln den Mantel los. Sie wandte sich um, wischte sich die Hände an ihrem Pullover ab, und blickte in Richtung Straße. Ein Mann, der absurderweise eine das ganze Gesicht bedeckende Santa-Claus-Maske und eine hochgeschlossene Jacke mit Kapuze trug, kam über die Straße auf sie zugerannt. Ein bisschen früh für Weihnachten, konnte sie noch denken, bevor der Mann in den Audi sprang, die Tür zuschlug und einfach losfuhr.

26
    J anice Costello war wahrscheinlich genauso alt wie ihr Mann – kleine Falten an Mund- und Augenwinkeln verrieten es –, aber als sie die Tür zu ihrer elegant gefliesten Diele öffnete, wirkte sie viel jünger. Mit ihrer blassen Haut und dem rabenschwarzen, am Hinterkopf zu einem Knoten gebundenen Haar, in Jeans und einer saloppen, etwas zu großen Bluse erschien sie neben ihrem dandyhaften Mann wie ein Kind. Nicht einmal die vom Weinen verquollenen Augen und die rote Nase lenkten von ihrer Jugendlichkeit ab. Ihr Mann wollte eine Hand unter ihren Ellbogen legen, um sie zu stützen, als sie durch die Diele in die große Küchen-Eßzimmer-Kombination gingen, aber Caffery sah, dass sie den Arm wegriss und hoch erhobenen Hauptes allein weiterging. Ihre unbeholfen würdevolle Haltung erweckte den Eindruck von körperlichen Schmerzen.
    Die MCIU hatte den Costellos eine eigene Familienbetreuerin zur Seite gestellt, Detective Constable Nicola Hollis. Sie war eine großgewachsene junge Frau mit präraffaelitischem Haar, die femininer nicht hätte aussehen können und trotzdem darauf bestand, sich »Nick« zu nennen. Sie stand schweigend in der Küche der Costellos, brühte Tee auf und arrangierte Kekse auf einem Teller. Sie nickte Caffery zu, als er hereinkam und sich an den großen Frühstückstisch setzte. »Es tut mir leid«, sagte er. Mit Bunt- und Filzstiften gemalte Kinderzeichnungen lagen auf dem Tisch verstreut. Ihm entging nicht, dass Janice sich so hinsetzte, dass zwischen ihr und ihrem Mann ein Stuhl frei blieb. »Es tut mir leid, dass es schon wieder passiert ist.«
    »Sie haben sicher Ihr Bestes getan, um ihn zu finden«, sagte Janice steif. Anscheinend konnte sie nur so die Fassung bewahren. »Ich mache Ihnen keinen Vorwurf.«
    »Viele würden es tun. Ich bin Ihnen dankbar dafür.«
    Sie lächelte düster. »Was möchten Sie wissen?«
    »Ich muss die ganze Sache noch einmal durchgehen. Sie haben es der Notrufzentrale erzählt …«
    »Und der Polizei in Wincanton.«
    »Ja. Und die haben es mir in groben Zügen berichtet, aber ich muss mir einen klaren Überblick verschaffen, weil mein Dezernat die weiteren Ermittlungen übernehmen wird. Ich bedaure, dass ich Ihnen das alles noch einmal zumuten muss.«
    »Das ist okay. Es ist ja wichtig.«
    Er holte seinen MP3 -Rekorder heraus und stellte ihn zwischen ihnen auf den Tisch. Er war jetzt ruhiger. Vor dem Anruf wegen Emilys Entführung war ihm klar geworden, wie überdreht er war. Nach dem Einsatz am Kanal hatte er sich Zeit für einen Lunch genommen und sich gezwungen, etwas zu tun, was mit den Ermittlungen in keinem Zusammenhang stand; er war sogar in einen Reformsupermarkt gegangen, um Glucosamin für Myrtle zu besorgen. Irgendwann hatte sich seine Wut auf Prody und Flea halbwegs gelegt.

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