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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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»Passiert ist es also gegen vier?« Er sah auf die Uhr. »Vor anderthalb Stunden?«
    »Ja. Ich hatte Emily gerade von der Vorschule abgeholt.«
    »Und der Notrufzentrale haben Sie gesagt, der Mann habe eine Santa-Claus-Maske getragen?«
    »Es ging alles so schnell, aber – ja. Aus Gummi. Nicht aus hartem Plastik, sondern weicher. Mit Haaren und Bart und allem.«
    »Sie haben seine Augen nicht gesehen?«
    »Nein.«
    »Und er trug eine Kapuzenjacke?«
    »Er hatte die Kapuze nicht aufgesetzt, aber es war eine Kapuzenjacke. Rot. Mit Reißverschluss. Und ich glaube, Jeans. Da bin ich nicht sicher, aber ich weiß, dass er Latexhandschuhe anhatte. Wie Ärzte sie tragen.«
    Caffery zog eine Karte hervor und breitete sie auf dem Tisch aus. »Können Sie mir zeigen, aus welcher Richtung er kam?«
    Janice beugte sich über die Karte und kniff die Augen zusammen. Dann legte sie einen Finger auf eine kleine Nebenstraße. »Von hier. Die Straße führt zum Anger hinunter – zur Gemeindewiese, wo manchmal Feuerwerke stattfinden.«
    »Ist das ein Abhang? Ich kann Höhenlinien nicht so gut interpretieren.«
    »Es ist einer.« Cory strich mit der flachen Hand über die Karte. »Ein steiler Hang, von hier bis da. Er endet erst da, fast außerhalb der Stadt.«
    »Das heißt, er ist bergauf gerannt?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte Janice.
    »War er außer Atem?«
    »Äh, nein. Ich glaube es zumindest nicht. Ich hab eigentlich nicht viel von ihm gesehen. Es war so schnell vorbei. Aber er sah nicht angestrengt aus.«
    »Sie hatten also nicht das Gefühl, dass er den ganzen Weg bergauf gerannt war.«
    »Wenn ich es mir überlege – wahrscheinlich nicht.«
    Caffery hatte bereits ein Team losgeschickt, das die Straßen der Umgebung nach einem dunkelblauen Vauxhall absuchte. Wenn der Entführer außer Atem gewesen wäre, hätte man annehmen können, dass er am Fuß des Abhangs geparkt hatte. Andernfalls konnten sie die Suche nach dem Wagen auf die ebenen Straßen in der Umgebung des Tatorts beschränken. Er dachte an die Stecknadeln mit den schwarzen Köpfen in der Karte in seinem Büro. »In Mere gibt es keinen Bahnhof, oder?«
    »Nein«, antwortete Cory. »Wenn wir mit dem Zug fahren wollen, müssen wir nach Gillingham. Das sind nur ein paar Meilen.«
    Caffery schwieg eine Weile. Hatte sich seine Theorie, der Entführer benutze das Bahnnetz, um seinen Wagen zurückzuholen, in Wohlgefallen aufgelöst? Vielleicht nahm er ein anderes Transportmittel. Ein Taxi. »Die Straße, in der es passiert ist«, er fuhr mit dem Finger daran entlang, »ich bin auf dem Weg hierher durchgefahren. Da sind viele Geschäfte.«
    »Tagsüber ist es ruhig. Aber wenn Sie morgens hinkommen, vor Schulbeginn …«
    »Ja«, sagte Janice. »Oder nach der Schule. Es ist für die meisten Leute die letzte Gelegenheit, wenn sie noch Sachen für das Abendessen brauchen. Oder morgens, wenn sie vergessen haben, ihrem Kind etwas zu trinken mitzugeben.«
    »Und weshalb hatten Sie angehalten?«
    Sie presste die Lippen zusammen, sog sie ein paarmal zwischen die Vorderzähne und ließ sie wieder los, bevor sie schließlich antwortete. »Ich hatte – äh, ich hatte mich mit Kaffee bekleckert. Eine Thermosflasche ist mir ausgelaufen. Ich habe angehalten, um sie loszuwerden.«
    Cory warf ihr einen Blick zu. »Du trinkst doch gar keinen Kaffee.«
    »Aber Mum.« Sie sah Caffery mit schmalem Lächeln an. »Ich wollte Emily bei einer Freundin absetzen und dann zu meiner Mutter fahren. Das war mein Plan.«
    »Du wolltest ihr Kaffee bringen?«, fragte Cory. »Kann sie zu Hause keinen kochen?«
    »Ist das wirklich wichtig, Cory?« Das starre Lächeln blieb, und sie sah weiterhin Caffery an. »Ist das in dieser Scheißsituation wirklich wichtig? Und wenn ich den Kaffee für Osama bin Laden gemacht hätte – wäre das wirklich von Bedeutung …«
    »Ich wollte außerdem nach den Zeugen fragen«, unterbrach Caffery sie. »Es gab ein paar, nicht wahr? Sie befinden sich jetzt alle auf dem Revier.«
    Janice senkte verlegen den Blick und presste die Fingerspitzen an die Stirn. »Ja«, sagte sie. »Da waren viele Leute. Eigentlich …« Sie sah Nick an, die heißes Wasser in vier Becher goss. »Nick? Ich glaube, ich möchte keinen Tee, vielen Dank. Ich hätte gern einen Drink. Macht Ihnen das etwas aus? Im Eisfach liegt Wodka. Gläser sind da oben.«
    »Das übernehme ich.« Cory ging zum Schrank und holte ein Glas heraus. Er goss Wodka aus einer Flasche mit einem russischen Etikett

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